Killing God
echt.
Der Boden bewegt sich wieder, kreist um meine Füße und in meinem Kopf kreist es auch und alles andere – das Zimmer, die Wände, das Fenster, die Decke … die Luft, die Welt, die Blase, in der ich lebe –, alles scheint sich aufzulösen in ein taumelndes, wirbelndes, kreisendes Gewirr aus Stimmen, Musik, Bewegung und Zeit.
An manches erinner ich mich.
Ich erinner mich, wie Taylor um mich rumgeht, mich umkreist, mich von oben bis unten anguckt, nickt und mir begeistert entgegenlächelt –
Schau dich an … du siehst
super
aus
–, als wär ich ein unglaubliches Wunder oder so. Ich weiß, sie macht sich nur lustig, aber das ist mir egal. Denn ich schau mich jetzt im Spiegel an, und was ich da seh, gefällt mir wirklich. Ich weiß natürlich, dass das nicht ich bin. Ich weiß, es ist nur ein angemaltes Gesicht und ein reizloser Körper, der in einen kurzen Jeansrock und ein knatschrosa T-Shirt (mit
ROCK ’N’ ROLL STAR
in Pailletten auf der Brust) gequetschtist. Trotzdem hat die Gestalt im Spiegel eine wahrnehmbare Figur. Eine frauliche Figur, mit Rundungen oder (wenn’s denn sein muss) echten Kurven.
Das gefällt mir.
Es gefällt mir auch, als Taylor uns allen was einschenkt und mir ihr Glas entgegenreckt und sagt: »Prost, heiße Braut!«
Und als Mel mich anlächelt und sagt: »Prost!«
Und als sie beide ihren Drink runterkippen.
Und es wär ja unhöflich, wenn ich nicht dasselbe täte, also schluck ich auch meinen Drink runter – und muss sofort husten und würgen. Denn er schmeckt überhaupt nicht mehr fruchtig. Er schmeckt wie flüssiges Feuer.
»Verdammt!«, keuch ich und versuch Luft zu kriegen. »Was zum Teufel –?«
»Du brauchst einen BH«, sagt Taylor.
»Hä?«
»Einen anständigen BH«, sagt sie, als sie rüberkommt und ihren Blick auf meine Brüste heftet. »Ich meine, verdammte Kacke, wo hast du denn das schreckliche Teil her, das du da trägst – aus der Altkleidersammlung?«
Ich schau an mir runter und seh, dass mein BH unter dem dünnen T-Shirt durchscheint. »Was stimmt nicht damit?«, frag ich zurück.
»Alles«, sagt Taylor. »Erst mal ist er zu groß für dich. Total falsche Körbchengröße. Außerdem ist er
antik
… ich mein, schau dir das Teil doch mal an …« Sie streckt die Hand aus und fummelt am Träger rum. Ich schrecke zurück. »Der hat einfach nichts«, redet sie weiter. »Du brauchst was, das unterstreicht, was du hast. Der alte Lumpen bringtdir gar nichts.« Sie lächelt mich an. »Der hat doch null Effekt.«
»Er gehört meiner Mum«, murmel ich vor mich hin.
»Was?«
»Der BH ist von meiner Mum –«
»Von deiner
Mum
?«
»Ja, meine sind alle –«
»Heilige Scheiße. Du trägst den
BH
von deiner Mum?«
»Meine sind alle in der Wäsche.«
»Kacke!«, sagt sie und schüttelt vor Abscheu den Kopf. »Ich glaub’s nicht. Da hast du so viel Geld und trägst trotzdem den verdammten BH von deiner Mum –«
»Was für Geld?«
»Wie bitte?«
»Was für Geld?«, wiederhol ich.
Einen Augenblick lang starrt sie mich mit leerem Blick an. Dann zündet sie sich auf eine merkwürdig herausfordernde Art eine Zigarette an und bläst den Rauch aus. »Das alles hier«, sagt sie, wedelt mit der Hand rum und deutet auf meine ganzen Sachen. »Ich meine, das alles kannst du dir leisten, aber keinen anständigen eigenen BH? … Davon red ich.« Sie lächelt mich wieder an. »Ist gut eingesetztes Geld, Dawn. Ehrlich, du würdest staunen … ich meine, schau mich an.« Sie streckt ihren Rücken durch und reckt mir ihre Brust entgegen. Ich
will
nicht hinschauen, aber ich weiß nicht, wie ich aus der Nummer rauskommen soll. Also werf ich einen Blick auf ihren Busen und seh zwei perfekte Brüste, die perfekt in ihrem schwarzen Neckholder-Top sitzen.
»Ist ein
Secret Embrace
«, sagt Taylor stolz. »Pusht undbringt deine Titten super zur Geltung.« Sie fängt an, ihr Top auszuziehen. »Willst du mal sehen? Kannst ihn ja anprobieren, wenn du magst. Ist vielleicht ein bisschen klein für dich …«
Und eh ich weiß, was passiert, steht Taylor da, direkt vor mir, und präsentiert ihren sexy schwarzen BH, ganz seidig, mit Spitzen und weich, und sofort erstarre ich wieder, gerate in Panik, mein Herz pocht wie verrückt, weil ich sie
seh
. Ich seh ihre Beinah-Nacktheit. Und ich weiß nicht, ob ich das mag oder nicht. Ich weiß nicht, ob ich das aushalte. Also muss ich wegschauen, meinen Blick von ihr abwenden. Und ich muss versuchen, mich nicht so verschreckt und
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