Killing time
mehr als ein Dach überm Kopf.«
»Keine Frau? Keine Kinder?«, fragte Ron Hensley, was Jim verwunderte. Konnte es sein, dass er wirklich nichts über Jims persönliche Umstände wusste?
»Ich habe eine Exfrau, die mit meinem Sohn in Huntsville lebt. Kevin ist zwölf, und um ehrlich zu sein, ist er der Grund, weshalb ich hier in Adams Landing bin. Seinetwegen habe ich den Job angenommen.«
»Das ist ja auch ein triftiger Grund«, sagte Jerry Dale. »Ich würde auf den Mond ziehen, wenn Amy mich verlässt und mit den Kindern dahin geht. Wie lange sind Sie geschieden? Hat sie Sie wegen eines anderen sitzenlassen und ist dann mit dem Kind zu ihm gezogen?«
Jim rutschte unbehaglich auf seinem Platz hin und her. Er wollte nicht unhöflich sein, aber er sprach ungern über sehr persönliche Dinge mit Leuten, die er gerade erst kennengelernt hatte.
»Wie geht es eigentlich J. D. und Anna Leigh?«, fragte Bernie Granger den Staatsanwalt. »Ich habe gehört, dass Anna Leigh bei den Cheerleadern der Junior High aufgenommen wurde. Da ist sie doch sicher überglücklich.«
»Und ob.« Ganz der stolze Vater, kam Jerry Dale nun ins Schwärmen und berichtete in allen Einzelheiten, wie seine dreizehnjährige Tochter sechs Mitbewerberinnen ausstach und einen Platz bei den Cheerleadern ergatterte.
Jim vermutete, dass Bernie gespürt haben musste, wie ungern er über seine Exfrau und seinen Sohn redete. Deshalb hatte sie das Gespräch geschickt auf ein anderes Thema gelenkt. Nicht einmal vierundzwanzig Stunden war er in der Stadt, und schon war er seiner neuen Chefin etwas schuldig. Sein Gefühl sagte ihm, dass er sehr gut mit Sheriff Granger auskommen würde. Mit der Zeit konnten sie vielleicht sogar Freunde werden. Und das wäre ein Novum für ihn, denn er war noch nie mit einer Frau befreundet gewesen, es sei denn er schlief mit ihr. Andererseits gab es ja für alles ein erstes Mal.
Nach dem Mittagessen mit ihrer Lehrerkollegin und Freundin Shannon Tolliver kehrte Thomasina Hardy in ihren Klassenraum im Adams County Junior College zurück. Hier unterrichtete sie, seit sie vor fünf Jahren ihr Examen an der Auburn-Universität gemacht hatte. Sie hatte sich für diesen Job entschieden, damit sie zurück nach Verona konnte, einer kleinen ländlichen Gemeinde, die mit dem Auto nur fünfundzwanzig Minuten von Adams Landing entfernt war. Von einem Leben in der Großstadt, weit weg von ihrer Familie und ihren Freunden, hatte Thomasina nie geträumt. Manche Leute verstanden nicht, warum sie es mit siebenundzwanzig noch genoss, mit ihrer verwitweten Mutter und ihrem jüngeren Bruder zusammen und in unmittelbarer Nachbarschaft zu ihren beiden älteren Geschwistern zu wohnen. Aber der Hardy-Clan war eben eine sehr eingeschworene Gemeinschaft, bestehend aus der Mutter, vier Kindern, zwei Schwiegerkindern und drei Enkeln. Thomasina hoffte, sie würde eines Tages einen netten Mann heiraten und den Clan um ein paar eigene Kinder erweitern. Bis dahin war sie mit dem Leben zufrieden, das sie hatte.
Allerdings würde sie nicht behaupten, dass sie ihr Leben liebte. Das tat sie nicht mehr, seit ihre Beziehung mit Ron Hensley vor ungefähr sechs Monaten in die Brüche gegangen war. Ihr hatte diese Beziehung weit mehr bedeutet als Ron, und als sie den Fehler machte, Besitzansprüche zu erheben, war er so schnell weg gewesen, dass ihr schwindlig wurde. Die Trennung brach ihr das Herz, und sie verfiel für etwa zwei Monate in eine leichte Depression. Doch sobald sie sich wieder erholt hatte, schaute sie sich um und stellte fest, dass es da draußen eine Menge anderer Männer gab – und bessere als Ron. Ein Mann hatte es ihr besonders angetan: Brandon Kelley, der Fachleiter für Kunst hier am Junior College. Er stammte nicht aus Adams County, sondern war erst im letzten Jahr hergezogen. Eigentlich wusste Thomasina kaum etwas über ihn, nur dass er achtunddreißig war, geschieden, kinderlos und aus North Carolina kam.
Seit er am College unterrichtete, hatte sich die Zahl der Kunststudenten verdoppelt – und fünfundsiebzig Prozent davon waren weiblich. Niemand konnte es den Studentinnen verdenken, dass sie dem Mann in Scharen nachliefen. Mit seinen schokoladenbraunen Augen und dem lockigen braunen Haar, das an den Schläfen einen leichten Grauschimmer aufwies und einen Tick zu lang war, sah er einfach zum Dahinschmelzen aus. Er hatte etwas von einem griechischen Gott. Und Thomasina musste zugeben, dass sie von Dr. Kelley ebenso fasziniert
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