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Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Titel: Kim Novak badete nie im See von Genezareth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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fest. Ich war so überrascht, dass ich gar nicht wusste, was ich sagen sollte, und dann sprachen wir über etwas anderes, und später fuhr Henry in seinem »Killer« zu einem Maranatha-Treffen.
    Nachdem er weg war, dachte ich über seine Worte nach. Und wunderte mich darüber, wie um alles in der Welt er so etwas sagen konnte, und dann fiel mir ein, dass er ja Berra Albertsson für den Kurren interviewt hatte, damals, als er Anfang Mai in unsere Stadt gezogen war.
    Kanonen-Berra ein Arschloch?
    Ich schrieb das auf einen Zettel und schob ihn in Oberst Darkin und die Goldbarren. Das war ein so sonderbarer Ausspruch, dass ich ihn irgendwie aufbewahren wollte.
    Im Laufe des Sommers sollte ich Gelegenheit bekommen, ausführlicher darüber nachzudenken. Reichlich Gelegenheit. Aber das wusste ich ja damals noch nicht, und der Zettel muss auf irgendeine merkwürdige Weise verschwunden sein, denn ich habe ihn nie wieder gefunden.
    In dem Jahr hatten wir das letzte richtige Abschlussfest in der Volksschule.
    Ein Teil der Klasse würde natürlich mit der achten Klasse weitermachen, aber ungefähr die Hälfte von uns wechselte zum Herbst in die KKR, die Kommunale Realschule. Die, die noch nicht nach der Sechsten gewechselt hatten. Das war natürlich eine Zäsur, nie wieder würde ich beispielsweise im gleichen Klassenzimmer wie Veikko, Sluggo, Gunborg und Balthazar Lindblom sitzen.
    Das war nicht so schlimm. Aber einige andere würde ich vermissen. Benny und Marie-Louise zum Beispiel; mit Benny würde ich mich natürlich weiter treffen, in der Zementröhre und an anderen Orten, aber Marie-Louise und ihre reizenden dunklen Locken und ihre braunen Augen würde ich nie wieder in der Klasse sehen und darüber ins Träumen geraten können. Jedenfalls nicht so nah.
    Aber deshalb ging die Welt nicht unter. Schließlich war es mir doch nie gelungen, Marie-Louise irgendwie näher zu kommen. Sicher gab es auch andere tolle Mädchen in der Realschule, dachte ich optimistisch. Verlierst du eine, gewinnst du tausend neue. C'est la vie.
    Wie ich ohne Ewa Kaludis leben sollte, war hingegen eine Frage, die sofort und ohne Wenn und Aber in den Abgrund führte. Irgendwie hatte ich das Gefühl, als wäre ihre Brust seit damals, als ich behauptete, ich würde meine Regel kriegen, auf meiner Schulter geblieben. Ewa kam am letzten Schultag genau in dem Moment in die Klasse, als Brylle sein Geschenk ausgepackt hatte, das die Mädchen ihm gekauft hatten: ein großes Bild in Glas und Rahmen, einen Elch darstellend, der an einer Waldlichtung stand und finster dreinschaute. Es war allgemein bekannt, dass Brylle jeden Herbst auf Elchjagd ging, und jetzt stand er da hinter dem Lehrerpult, glotzte das Bild an und versuchte, so gut es ging zu lächeln.
    »Ich wollte mich nur für die schöne Zeit bedanken«, sagte Ewa Kaludis. »Es hat Spaß gemacht, euch zu unterrichten. Ich hoffe, ihr habt schöne Sommerferien.«
    Mit dem Abstand von Lichtjahren war das das Geistreichste, was ich in meinem ganzen vierzehnjährigen Leben gehört hatte. Sie knickte die Hüften ein, verließ das Zimmer, und eine eiskalte Hand ergriff mein Herz.
    Verdammte Scheiße, dachte ich. Soll sie mich wirklich auf diese Art und Weise verlassen?
    Der Augenblick war vollkommen lähmend. Ich saß in meiner Bank und begriff plötzlich, was es hieß, etwas zu verlieren, was unentbehrlich ist. Wie man sich wohl fühlte, fünf Sekunden, bevor man vor den Zug sprang.
    Aber es fuhr kein Zug durchs Klassenzimmer, zum Glück.
    »Was ist denn mit dir los?«, fragte Benny, als wir hinaus in den Sonnenschein auf dem Schulhof traten. »Du siehst verflucht noch mal total k.o.-geschlagen aus. Wie Henry Cooper in der zwölften Runde.«
    »Ach«, wehrte ich ab. »Was mit dem Magen. Wann fährst du?«
    »In zwei Stunden«, sagte Benny. »Dann bin ich morgen Nachmittag da. Ist ein verdammt langes Stück bis Malmberg. Ich hoffe, das mit deiner Mutter geht klar.«
    »Bestimmt«, nickte ich.
    »Ich muss noch zu Blidbergs und ein Bonanzahemd kaufen«, sagte Benny. »Und so einen blöden roten Schlips auch, ich muss schließlich meinen Cousinen imponieren. Tschüss dann. Wir sehen uns im Herbst.«
    »Ja, tschüss«, sagte ich. »Grüß die doofen Lappen und die Mücken.«
    »Wird gemacht«, nickte Benny. »Und schreib mir, wenn es ein schwerer Sommer wird.«
     
    ***
     
    Henry, mein Bruder, war schon vorgefahren und hatte sich bereits in Genezareth eingerichtet. Mein Vater ging davon aus, dass auch Emmy Kaskel

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