Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Titel: Kim Novak badete nie im See von Genezareth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
Vom Netzwerk:
dort war, aber ich wusste es besser. Es war geplant, dass Edmund und ich am Sonntag die fünfundzwanzig Kilometer mit dem Rad hinfahren sollten. Henry hätte uns natürlich abholen können, aber wir brauchten da draußen auch unsere Räder, das war ja klar. Es gab reichlich interessante Ecken in den Wäldern rund um den Möckeln, und wir ohne Drahtesel, das wäre genauso problematisch wie ein Cowboy ohne Pferd, da waren Edmund und ich einer Meinung.
    Am Samstagabend fuhren mein Vater und ich wieder ins Krankenhaus, ich in den guten Kleidern vom Schulabschluss, Vater in Hose, Hemd und Schlips. Er trug nie einen Schlips, wenn er Schließer war oder zu Hause, aber sobald er ins Krankenhaus wollte, fühlte er sich gezwungen, sich gut anzuziehen. Obwohl er doch fast jeden Tag mit dem Bus dorthin fuhr. Ich überlegte, woran das wohl lag, hatte ihn aber nie fragen wollen. Und das tat ich auch an dem Tag nicht.
    Meine Mutter lag im selben Bett, im selben Zimmer und sah ganz unverändert aus. Nur ihr Haar war frisch gewaschen und wirkte etwas besser, wie ich fand; fast wie eine Art Heiligenschein auf dem Kopfkissen.
    Wir hatten eine Tüte Weintrauben mitgebracht und eine Tafel Schokolade, aber als wir sie nach einer Stunde verlassen wollten, steckte sie mir die Schokolade zu.
    »Nimm du sie, Erik«, sagte sie. »Du musst dir ein bisschen was anfuttern.«
    Ich wollte sie nicht haben, nahm sie aber dennoch.
    »Ich hoffe, ihr werdet in Genezareth eine schöne Zeit haben«, sagte meine Mutter.
    »Ganz bestimmt«, sagte ich. »Pass auf dich auf.«
    »Grüße Henry und Emmy«, sagte sie.
    »Wird gemacht«, sagte ich.
    Im Bus auf der Heimfahrt erzählte mir Vater alles Mögliche, was wir in Genezareth machen dürften und was nicht. Woran wir denken sollten und was wir auf keinen Fall vergessen dürften. Die Gasflasche und so. Er hatte einen Zettel in der Hand, den er vor mir verbergen wollte, und ich begriff, dass meine Mutter das alles aufgeschrieben und ihm gegeben hatte, während ich im Krankenhaus auf der Toilette war. Ich konnte seiner Stimme anhören, dass es ihn selbst eigentlich herzlich wenig interessierte. Er vertraute da voll und ganz auf Henry und Emmy. Er leierte die Ermahnungen nur aus Pflichtbewusstsein und Mitleid für meine Mutter herunter. Er tat mir Leid.
    Ich glaube sogar, dass er auch mir vertraute.
    »Vielleicht schaue ich ja mal bei euch vorbei«, sagte er. »Und ihr kommt sicher auch ab und zu mal in die Stadt?«
    Ich nickte. Wusste, dass auch das in erster Linie nur Sprüche waren. Was man halt so sagt, damit man ein besseres Gefühl hat.
    »Aber ich muss noch drei Wochen arbeiten. Und an den Wochenenden will ich ja sie besuchen.«
    Ich fand, es klang etwas künstlich, dass er »sie« sagte statt »Ellen« oder »deine Mutter«, wie er es sonst tat.
    »Es kommt, wie es kommt«, sagte ich. »Wir kommen schon zurecht.«
    Ich zog die Tafel Schokolade hervor - eine Taragona -, die meine Mutter hatte haben sollen, die sie mir jedoch zurückgegeben hatte. Streckte sie meinem Vater hin.
    »Willst du?«, fragte ich.
    Er schüttelte den Kopf.
    »Nimm du nur. Ich habe keinen Hunger.«
    Ich stopfte sie zurück in die Innentasche meiner Jacke. Dann saßen wir still nebeneinander, während wir durch Mosas und am Torfmoor vorbeifuhren, in dem Henry ein paar Sommer, bevor er zur See gefahren war, gearbeitet hatte; ich versuchte, mich an Ewa Kaludis' Gesicht zu erinnern, aber es gelang mir nicht besonders gut.
    »Vielleicht könnt ihr ja das Boot ein bisschen teeren«, sagte mein Vater, als wir am Markt in die Stadt einbogen. »Wenn ihr Zeit habt. Das wäre nicht schlecht.«
    »Machen wir«, nickte ich.
    »Von dem Steg ist wohl nicht mehr viel übrig, oder?«
    »Den werden wir auch reparieren.«
    »Macht das, wenn ihr Zeit habt«, sagte mein Vater und versteckte den Zettel, den er von meiner Mutter bekommen hatte. »Und dann macht es euch so schön wie möglich.«
    »Es ist immer schwer, etwas über die Zukunft zu sagen«, erklärte ich.
    »Man muss nur mit beiden Beinen auf dem Boden bleiben«, sagte mein Vater.
    Als wir in der Mossbanegatan aus dem Bus gestiegen waren, warf ich die Taragona in den Papierkorb, der an der Haltestelle hing. Den ganzen Weg über nach Hause zur Idrottsgatan bereute ich es, aber trotzdem ging ich nicht zurück, um sie wieder rauszuholen.
    »A man's gotta do what a man's gotta do«, dachte ich.
     
    ***
     
    Als Edmund und ich uns am Sonntag auf den Weg machten, war es abwechselnd sonnig und

Weitere Kostenlose Bücher