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Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Titel: Kim Novak badete nie im See von Genezareth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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Abwasch.
    »Verdammte Scheiße, geht es uns gut«, stellte Edmund fest, als wir fast fertig waren. Er klang beinahe gerührt, und ich musste ihm zustimmen.
    »Es könnte schlimmer sein«, sagte ich.
    ***
    Aber Henry hatte natürlich schon ein Stück weiter gedacht.
    Dass er im Schlafzimmer im Erdgeschoss und Edmund und ich oben schliefen, war nur selbstverständlich. Darüber brauchte kein Wort gewechselt zu werden.
    Wie auch darüber, dass die Küche und das Wohnzimmer uns allen dreien zur Verfügung stehen würden.
    »Mit einer Ausnahme«, warf Henry ein.
    »Was für eine Ausnahme?«, fragte ich.
    »Mit der Ausnahme, falls ich mal eines Abends ein Mädchen mitbringe. Dann macht ihr um das Erdgeschoss einen riesengroßen Bogen.«
    »Genehmigt«, sagte ich.
    »Gentlemen's agreement«, sagte Edmund.
    »Einen Tag macht ihr das Essen, am anderen ich. Natürlich nur das Mittagessen, aber keine Pupsportionen. Ebenso läuft es mit dem Abwaschen. Okay?«
    »Okay«, stimmten wir zu.
    »Wir kaufen bei Laxmans ein. Ich fahre mit dem Killer hin, aber wenn ihr wollt, könnt ihr auch das Rad oder das Boot nehmen.«
    Wir nickten. No problem.
    »Die Scheißtonne«, sagte Henry dann.
    »Die Scheißtonne«, wiederholten wir seufzend.
    »Je weniger wir scheißen, umso besser«, erklärte Henry. »Und keiner darf reinpissen, das ist eine verdammt blöde Angewohnheit. Wenn wir drauf achten, schaffen wir es mit einer Leerung alle zwei Wochen. Du weißt, wie das geht, Erik... ein Loch graben, hinschleppen und auskippen. Es gibt angenehmere Jobs. Okay?«
    Erneut nickten wir ernsthaft.
    »Das war alles«, schloss Henry. »Man muss sich ja nicht unnötig das Leben schwer machen. Es soll doch wie ein
    Schmetterling an einem Sommertag sein.«
    Letzteres klang gut, wie ich fand. Ich dachte eine ganze Weile darüber nach.
    Das Leben soll wie ein Schmetterling an einem Sommertag sein.
    Da war es noch genau einen Monat hin bis zu dem SCHRECKLICHEN.
    ***
    »Du, das mit deinen Zehen«, fragte ich, nachdem wir am ersten Abend ins Bett gegangen waren. »Wie ist das eigentlich?«
    Unsere Betten standen an der einzigen Stelle, wo Platz für sie war. Jedes parallel zur Wand, die Dachschräge so dicht darüber, dass man sich nicht aufsetzen konnte. Ungefähr ein Meter war dazwischen, wo eine Kommode mit unseren Klamotten stand und außerdem jede Menge Hefte und Bücher. Edmund hatte Henry fünf Schuhkartons mit Zeitschriften und einen Kasten mit Büchern mitgegeben.
    »Meine Zehen?«, fragte Edmund.
    »Ich habe davon gehört«, erklärte ich.
    »Ja, wirklich?«
    Edmund musste kichern. »Davon sieht man gar nichts mehr.«
    Er streckte den linken Fuß heraus und wackelte mit den Zehen. »Wie viel siehst du?«
    »Ich komm auf fünf«, antwortete ich. »Ziemlich hässliche.«
    »Stimmt«, bestätigte Edmund. »Aber als ich noch sechs hatte, sah es noch hässlicher aus, deshalb haben sie einen weggemacht.«
    »Wer?«, fragte ich.
    »Die Ärzte, natürlich«, antwortete Edmund. »Wenn du dir den Zeigezeh, oder wie er nun heißt, genauer anguckst, dann ist da unten am Ansatz eine kleine Narbe zu sehen. Da saß der Extrazeh.«
    Ich kniete mich auf den Boden und musterte Edmunds schmutzigen linken Fuß. Was er sagte, stimmte. Ganz tief im Winkel zum großen Zeh hin war eine kleine Schramme zu erkennen, dünn wie ein Bleistiftstrich und nicht länger als ein Zentimeter.
    Ich nickte und kroch wieder in mein Bett.
    »Danke«, sagte ich. »Ich wollte es nur mal wissen.«
    »Ist schon in Ordnung«, erwiderte Edmund und zog seinen Fuß wieder unter die Bettdecke zurück. »Willst du den anderen auch sehen?«
    »Ist nicht nötig«, wehrte ich ab. »Hat es wehgetan?«
    »Was?«
    »Als sie ihn weggemacht haben?«
    »Weiß ich nicht«, sagte Edmund. »Ich habe geschlafen. Ich meine, ich hatte eine Betäubung. Aber hinterher tat es ein bisschen weh. Ich war ja damals erst sechs.«
    Ich nickte.
    Und dann wunderte ich mich, wie überhaupt jemand herausbekommen hatte, dass Edmund zwölf Zehen gehabt hatte, wo ihm der elfte und zwölfte doch schon vor so langer Zeit wegoperiert worden waren. Er wohnte doch erst seit einem Jahr in unserer Stadt.
    Auf diese Frage gab es natürlich nur eine Antwort: Er musste es selbst erzählt haben.
    Zuerst erschien mir das merkwürdig, aber je länger ich darüber nachdachte, um so unsicherer wurde ich in meinem Urteil.
    Vielleicht hätte ich es auch einfach erzählt, wenn ich zwölf Zehen gehabt hätte. Vielleicht aber auch nicht.
    Eine

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