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Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Titel: Kim Novak badete nie im See von Genezareth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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hatte.
    Meine Mutter kam in dem Aquarium angeschwommen. Zwischen den Rochen und den Robben. Meine Mutter.
    Das war ganz schrecklich. Sie hatte ihren abgetragenen blauen Kittel mit den verblichenen Rosen an und sah ganz aufgedunsen und glubschäugig aus. Ich stürzte an die Glasscheibe, bedeutete ihr mit großen Gesten, dass sie zur anderen Seite schwimmen sollte, aber sie hing einfach nur im Wasser herum und starrte uns mit ihren traurigen Augen an. Es schien aussichtslos, sie dort wegzubekommen, deshalb drehte ich mich stattdessen weg. Ich drückte mich an die Scheibe, breitete die Arme aus und versuchte, sie zu verdecken. Ewa Kaludis verstummte und sah mich mit überraschtem Blick an. Fast sah sie etwas enttäuscht aus, und am liebsten hätte ich geheult, mir in die Hose gepinkelt und wäre im Erdboden versunken.
    Als ich aufwachte, war es Viertel vor fünf Uhr, und ich war mit kaltem Schweiß bedeckt. Mir war klar, dass der Traum etwas mit den Revalbonbons zu tun haben musste. Ich stand auf und setzte mich für eine Weile auf die Toilette, aber erfolglos.
    Während ich dort saß, dachte ich über den Traum nach. Ich fand ihn sonderbar. Es gab kein Aquarium im Brumberga- Tierpark, und Ewa Kaludis war bei dem Ausflug gar nicht dabei gewesen.
    In der Nacht machte ich kein Auge mehr zu.
     
    ***
     
    Ich war noch gar nicht richtig bei Edmund in die Wohnung gekommen, da fragte er mich: »Weißt du, was der größte Unterschied auf der Welt ist?«
    »Zwischen dem Universum und Äsa Lenners Gehirn?«, probierte ich.
    »Nix da«, schüttelte Edmund den Kopf. »Der größte Unterschied auf der Welt ist der zwischen meinem Vater und meiner Mutter. Nur dass du das weißt.«
    Und damit hatte er gar nicht so Unrecht, das wurde mir bei dem Essen, zu dem sie mich eingeladen hatten, klar. Es sollte so eine Art Vorschussdank sein dafür, dass Edmund den ganzen Sommer in Genezareth bleiben durfte, nehme ich an.
    Albin Wester, Edmunds Vater, war klein und kräftig, mit hängenden Armen und einem Watschelgang. Er sah aus wie ein Gorillamännchen, jedenfalls fast. Und dazu ein bisschen abgehetzt und resigniert; obwohl ich Antifußballer war, kam mir ein Fußballtrainer in den Sinn, der versucht, nach der ersten Halbzeit die Moral aufrecht zu halten, obwohl die Mannschaft mit 6:0 im Rückstand liegt. Fröhlich, obwohl es irgendwie aussah, als ginge es ihm hundserbärmlich. Während wir aßen, redete er fast die ganze Zeit, am meisten, wenn er den Mund voll hatte.
    Frau Wester dagegen war korrekt wie eine Standuhr in Trauerkleidung. Während des ganzen Essens sagte sie kein Wort, versuchte aber ab und zu zu lächeln. Dann sah es so aus, als würde sie gleich platzen, und jedes Mal bekam sie einen Schluckauf und schloss schnell die Augen.
    »Nehmt euch noch, Jungs«, sagte Albin Wester. »Man weiß nie, wann es wieder was gibt. Signes Wursteintopf ist in ganz Nordeuropa berühmt.«
    Edmund und ich aßen wirklich große Portionen, denn es war ein guter Wursteintopf. Mir fiel die Haushaltsfrage für den Sommer ein, und ich sagte Edmund, er sollte seine Mama doch bitten, das Rezept aufzuschreiben.
    Ich wusste, dass so etwas der Gipfel von Höflichkeit war, und ganz richtig öffnete sich die Wanduhr und hickste.
    »Wursteintopf a la Signe«, sagte Albin Wester aus den Mundwinkeln. »Eine Götterspeise.«
    Auch er lächelte, wobei ihm ein paar Wurststückchen auf den Schoß fielen.
    ***
    »Sie ist Alkoholikerin«, erklärte Edmund anschließend. »Sie muss jeden einzelnen Muskel im Körper angespannt halten, um so ein Essen zu überstehen.«
    Ich fand, das klang merkwürdig, und das sagte ich auch. Edmund zuckte mit den Schultern.
    »Ach was«, sagte er. »Das ist überhaupt nicht merkwürdig. Sie hat drei Geschwister. Und die sind alle gleich. Das kommt von Großvater, er war ein verfluchter Suffkopf, aber ein Frauenkörper kann das irgendwie nicht vertragen.«
    »Ja?«, wunderte ich mich.
    »Man soll Frauenzimmern keinen Schnaps einflößen. Und kein Kraut in den Tabak mischen. Das geht nicht gut.«
    Ich überlegte.
    »Das klang wie von Salasso«, sagte ich. »Liest du oft Westernhefte?«
    »Manchmal«, murmelte Edmund. »Aber inzwischen lese ich lieber Bücher.«
    »Ich wechsle immer mal«, erklärte ich diplomatisch. »Aber wie lange geht das denn schon so? Kann man sie denn nicht irgendwie heilen?«
    Die Nebenwirkungen des Alkohols waren mir nicht ganz unbekannt. Holger, ein Cousin meines Vaters, war aus diesem Holz, und in der Vierten

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