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Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Titel: Kim Novak badete nie im See von Genezareth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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dagegen. Das Geld war bei uns immer knapp, natürlich brauchten wir eigentlich auch keins, aber es war doch ganz schön, sich zumindest hin und wieder ein Eis leisten zu können. Bei Laxmans oder auch in Fläskhällen. Oder ein paar einzelne Zigaretten, schließlich konnten wir sie nicht die ganze Zeit Henry mopsen, auch wenn er vermutlich nie etwas davon gemerkt hätte.
    Nach dem Essen verschwand Henry immer mit seinem Killer, und mindestens an zwei von drei Abenden hatten Edmund und ich uns schon ins Bett gelegt, ehe er zurückkam. Manchmal wachte ich mitten in der Nacht auf und hörte ihn. Das unregelmäßige Knattern der Facit und das Tonbandgerät mit Eddie Cochran und den Drifters. Elvis Presley. Muß i denn... das hatte er mehrmals auf dem Band. Wenn die Musik aufhörte, fingen draußen in den Büschen vorm Fenster die Vögel an zu zwitschern. Manchmal fragte ich Henry, wie es mit dem Schreiben und seinem Buch so lief, aber er hatte nie Lust, dazu etwas zu sagen. »Es läuft so«, sagte er dann nur und nahm einen Zug seiner immer präsenten Lucky.
    »Es läuft so.«
    Auf eine verschämte Art war ich trotzdem ziemlich neugierig, was er da wohl so schrieb, aber er zog nie irgendwelche Seiten hervor, und ich wollte nicht wieder davon anfangen. Eines Abends, als er gerade mit dem Killer fortgefahren war, entdeckte ich trotzdem eine Seite, die noch in der Maschine auf dem Schreibtisch klemmte. Es waren nur ein paar Zeilen drauf, ich setzte mich vorsichtig auf den Stuhl und drehte die Walze etwas höher, um besser lesen zu können.
    Ich glaube, ich las den Text fünf- oder sechsmal. Vielleicht weil ich fand, dass er gut war, aber sicher auch, weil er mich so überraschte. Er war überraschend und ein wenig eklig:
     
    kam von hinten über ihn, plötzlich und genau im richtigen Abstand. Ein Schritt über den Kies, nicht mehr als dieser eine, die Hand fest um den Stiel gepackt, dann ein kurzer, tödlicher Schwung. Das Geräusch, das entsteht, wenn Stahl auf Schädelknochen trifft, ist lautlos. Eine Inversion von Geräuschen, die zu vernehmen ist, weil es stiller als die Stille ist, und während der schwere Körper sich mit der Erde vereint, steht über ihm die
    Sommernacht schwer und geheimnisvoll lächelnd da; alles fügt sich zusammen und
     
    Da hörte es auf. Ich drehte die Schreibwalze wieder zurück und fühlte mich plötzlich wie ein Dieb in der Nacht. Wie Bennys Mutter immer sagte.
    Krebs-Treblinka-Liebe-Bumsen-Tod, dachte ich. Was ist das
    für ein Buch, das du da schreibst, Henry, mein Bruder?
     
    ***
     
    Ein paar Tage lang planten wir die nächtliche Attacke auf Karlessons Kiosk, und am Donnerstagabend, dem Tag vor der Mittsommernacht, gingen wir zum Angriff über. Henry hatte offensichtlich vor, an diesem Abend zu Hause zu bleiben, aber wir erklärten ihm, dass wir bis spät in die Nacht etwas zu erledigen hätten, und kurz nach neun machten wir uns auf den Weg. Henry schien das nicht zu interessieren. »Wenn ihr irgendwas anstellt, passt nur auf, dass man euch nicht erwischt«, sagte er bloß, ohne von der Schreibmaschine aufzusehen.
    Wir hatten vier Apfelsaft und ein Baguette als Proviant mitgenommen. Sowie gut zehn Kronen, damit wir uns bei Törners auf dem Markt jeder eine Wurst kaufen konnten, bevor er um elf schloss.
    Der Plan schien anfangs gut zu klappen; es war ein etwas windiger Abend, auf dem freien Feld hatten wir meistens Gegenwind, aber trotzdem kamen wir gegen Viertel vor elf auf dem Marktplatz von Kumla an. Regen lag in der Luft, und die Straßen waren fast menschenleer. Nachdem wir unsere Wurst gegessen und unseren Apfelsaft getrunken hatten, tuckerte Törner mit seinem Grillwagen nach Hause, und wir begannen, die Gabeln zu suchen. Nachdem wir den Marktplatz abgegrast hatten, machten wir an den Papierkörben vor dem Zeitschriftenkiosk am Bahnhof weiter und bei dem anderen Würstchenstand der Stadt: bei Hermans hinten am Hochhaus. Um zwölf Uhr waren wir der Meinung, dass es jetzt reichte. Dreiundfünfzig Stück. Wenn man im Durchschnitt mit drei Kugeln und einem Plastikding bei jeder Drehung rechnete, kämen wir auf einhundertneunundfünfzig Kugeln und dreiundfünfzig Plastikteile.
    Mehr konnten wir sowieso nicht verdrücken und mehr gab es auch gar nicht in Karlessons Automat. Voller Zuversicht marschierten wir die fehlenden zweihundert Meter gen Süden die Mossbanegatan entlang. Uns begegnete kein einziger Mensch. Nicht einmal eine Katze. Ein dünner Nieselregen hatte eingesetzt. Wir

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