Kim Schneyder
Während ich meine Füße und meine Hosenbeine trockenrubble, zieht er sein T -Shirt aus und trocknet sich ebenfalls ab.
»So, und jetzt trinken wir erst mal was, das haben wir uns verdient, nicht wahr?«, lächelt er dann. »Bitte, nehmen Sie doch Platz!« Er deutet auf die Sitzbank. »Was darf ich Ihnen anbieten?«
»Kommt drauf an. Was haben Sie denn da?«, frage ich zurück.
Erst mal abwarten, was er sich so vorstellt, ich will schließlich nicht riskieren, dass er mich auf Anhieb für eine Schnapsdrossel hält.
»Ich weiß ja nicht, wie’s Ihnen geht, aber ich könnte ein Glas Wein vertragen auf den Schreck«, meint er, und damit spricht er mir aus der Seele.
»Ja, warum eigentlich nicht?«, nicke ich. »Und hätten Sie vielleicht auch eine Diätcola?«
»Eine Diätcola? Ich werde sehen, ob noch was da ist.« Und weg ist er wieder.
Das gibt mir Gelegenheit, mich ein bisschen umzusehen. Junge, Junge, gar nicht schlecht, diese Jacht. Im Vergleich zu den anderen Brummern im Hafen hat sie vorhin verhältnismäßig klein gewirkt, aber jetzt stelle ich fest, dass sie überraschend geräumig ist. Allein das hintere Deck, auf dem ich mich befinde, umfasst mindestens zehn Quadratmeter und verfügt über einen blank polierten Tisch und dick gepolsterte Bänke, die so manchem Wohnzimmer zur Ehre gereichen würden.
Ich lasse mich in die weichen Polster fallen und räkle mich genießerisch. Dann macht es auf einmal klick bei mir. Plötzlich wird mir bewusst, wo ich mich hier überhaupt befinde: Ich bin an Bord einer Jacht, und das mitten im Hafen von Monte Carlo! Nicht etwa auf der anderen Seite des Felsens, in Fontvieille, wo einfache Menschen ihre Boote parken, nein, ich bin hier im Haupthafen, und aus dem Reiseführer weiß ich, dass das sozusagen der Brennpunkt des monegassischen Geldadels ist. Gestern noch haben wir darüber Witze gemacht, und jetzt sitze ich wahrhaftig hier und warte darauf, dass mir eines dieser Luxusgeschöpfe ein Getränk serviert.
Am liebsten würde ich auf der Stelle Sepia und Sonja anrufen und ihnen brühwarm alles erzählen: »Ratet mal, wo ich mich gleich betrinke!« Die würden vielleicht Augen machen!
Doch stopp. Wäre das auch klug? Ich weiß doch noch gar nichts über Bodo. Nicht dass es mich etwas anginge, aber ist er überhaupt Single? Hm, vielleicht sollte ich doch besser ein paar Informationen einholen, bevor ich meine Freundinnen mit diesen Neuigkeiten platt mache.
Bodo kommt jetzt wieder herauf. Er hat sich ein knallrotes T -Shirt übergezogen und balanciert geschickt ein Tablett mit drei Gläsern und einem Sektkübel samt Flasche vor sich her. Sogar eine Dose Cola Light hat er aufgetrieben, wie ich zufrieden feststelle. Er ist so konzentriert bei der Sache, dass ich ihn in aller Ruhe betrachten kann. Ich schätze ihn auf circa fünfunddreißig, und er hat eine gedrungene Statur. Vorhin ist mir aufgefallen, dass er kaum größer ist als ich, und von Diätwahn scheint er auch nichts zu halten, denn die Art und Weise, wie er sein Bäuchlein vor sich herträgt, bietet keinerlei Anzeichen dafür, dass er ein Problem damit hätte. Eindeutig ein Pluspunkt sind seine kräftigen Unterarme und die tiefe Bräune, die ahnen lässt, dass er den größten Teil des Sommers irgendwo am Wasser verbringt. Seine Kopfbehaarung hat schon zum Rückzug geblasen, aber das stört nicht weiter, gehört das doch bei den meisten Männern über dreißig praktisch zur Serienausstattung, außerdem hat er den verbliebenen Rest millimeterkurz geschoren, was ihm in Verbindung mit dem dunklen Teint einen sportlichen Ausdruck verleiht.
Als er merkt, dass ich ihn beobachte, hebt er kurz den Blick und sieht mich ein bisschen unsicher an.
Da, schon wieder, seine Augen! Die sind mir vorhin schon aufgefallen, als er noch im Wasser trieb, aber da musste ich noch annehmen, dass er sie nur vor Schreck so weit aufgerissen hat. Doch jetzt erkenne ich, dass das gar nichts mit seinem Tauchgang zu tun hatte, sondern ganz normal ist bei ihm. Die Farbe ist schwer zu deuten, es ist eine Mischung aus Grün und Blau und auch ein wenig Braun, und sie haben einen Ausdruck von … hm, darüber muss ich jetzt erst einmal nachdenken.
Ich habe solche Augen schon einmal gesehen, sie kommen mir auf ganz eigentümliche Weise vertraut vor. Ich krame schnell in meinem Gedächtnis, stelle mir Freunde vor, Bekannte, Schauspieler, Bilder von Männern aus der Werbung, die ganze Galerie.
Dann, als Bodo mich erneut ansieht, fragend
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