Kim Schneyder
das Boot und klappen Sie die Badeleiter herunter!«
»Wie bitte? Ich soll da rüber springen?«, frage ich mit einem Anflug von Panik. Ich schätze die Entfernung auf gut eineinhalb Meter, und wenn ich nicht höllisch aufpasse, habe ich gute Chancen, ihm gleich Gesellschaft zu leisten in diesem Hafenwasser, das bei näherer Betrachtung alles andere als sauber aussieht.
Aber dann bemerkt er, dass der Landesteg ja nicht verschwunden ist, sondern bloß schief liegt.
»Oder noch einfacher, Sie rücken die Passarella wieder gerade, dann können Sie hinüber gehen «, ruft er.
»Die was ?«
»Na, den Landesteg, sowas nennt man Passarella!«
Okay, darüber lässt sich reden. Ich lege mir das Ding sorgsam zurecht, dann prüfe ich zaghaft mit einem Fuß, ob es mich auch trägt, hole tief Luft und renne mit ein paar schnellen Schritten auf die Jacht hinüber.
»Ganz schön wackelig, dieses Ding«, stelle ich fest.
»Normalerweise ist es auch ein stabiler Alusteg, aber der ist in Reparatur. Daher diese Notlösung«, erklärt er schnaufend.
»Ach, darum. Und was soll ich jetzt machen?«, erkundige ich mich.
Er hängt jetzt mit der rechten Hand an einem Haltegriff am Heck des Bootes.
»Die Badeleiter«, sagt er und deutet auf eine Leiter. »Lösen Sie die Verriegelung und klappen Sie sie herunter!«
Okay, das schaffe ich auch ohne nautische Erfahrung. Als die Leiter im Wasser ist, greift er schnell danach und klettert hoch.
»Vielen Dank. Bloß gut, dass Sie zur Stelle waren«, sagt er und will mir seine Hand reichen, aber dann fällt ihm auf, dass er triefend nass ist, und zieht sie wieder zurück. Mit zusammengekniffenen Augen betrachtet er den Steg. »Ich möchte bloß wissen, wer die verdammte Passarella zur Seite gerückt hat. Vor einer halben Stunde lag sie noch kerzengerade, da bin ich mir sicher.«
Verdammt. Hat er also mitbekommen, dass sie jemand beiseitegeschoben hat. Scheint so, als wäre eine Erklärung fällig.
»Jetzt, wo Sie es sagen …« beginne ich vorsichtig. »Da war diese alte Dame mit einem riesigen Gepäckwagen …«
»Ja, und weiter?«, meint er säuerlich, als ich zögere.
»Also, die kam nicht vorbei, und sie dachte dann wohl, dass es einfacher wäre, den Steg zur Seite zu schieben, als mit ihrem Riesenkoffer einen Umweg zu nehmen«, schließe ich meine Schilderung ab.
Er schnappt empört nach Luft.
»Und dann hat diese Schachtel einfach meine Passarella weggelegt und ist weitergegangen? Das ist ja ein starkes Stück!«
»Na ja, sie war schon ziemlich alt, und der Koffer war riesig «, versuche ich zu relativieren. »Und es hat ja auch sein Gutes, so sind Sie wenigstens zu einem erfrischenden Bad gekommen, nicht wahr?«
Mein Lachen klingt ein bisschen holprig, aber nach einer kleinen Verzögerung stimmt auch er mit ein.
»Sie sind gut! Aber wahrscheinlich haben Sie recht, und außerdem hätte ich Sie dann nicht kennengelernt. Darf ich übrigens erfahren, wer Sie sind?«, fragt er dann.
»Aber sicher. Ich bin Heidi, Heidi Mertens.«
Ich gebe ihm jetzt doch meine Hand, die paar Wassertropfen werden mich nicht umbringen. Er schüttelt sie, und das ein bisschen länger als nötig, wie mir scheint.
»Ist mir eine Freude. Ich heiße Bodo, Bodo Schwarz«, stellt er sich vor.«
Bodo? Seltsam, ich dachte eigentlich immer, Bodos wären alt und behäbig. Endlich lässt er meine Hand los, und jetzt bemerkt er, dass ich bei seinem Tauchgang auch was abbekommen habe.
»Oh, Sie sind ja auch ganz nass geworden. Warten Sie, ich bringe Ihnen ein Handtuch.«
Damit verschwindet er in das Innere der Jacht. Ich höre ihn kurz rumoren, dann kommt er zurück. In der Hand hält er zwei Badetücher, von denen er eines mir gibt.
»Sie können Ihre Schuhe gerne ausziehen und in die Sonne legen, dann trocknen sie schneller«, schlägt er vor.
»Gute Idee.« Ich schlüpfe aus den Sneakers und stelle sie mit geöffneten Schnürsenkeln so auf die Sitzbank, dass sie direkt von der Sonne angestrahlt werden.
Dann fällt sein Blick auf meine nassen Hosenbeine.
»Die können Sie eigentlich auch ausziehen«, schlägt er mit einem verlegenen Grinsen vor. »Tagsüber läuft hier sowieso jeder in Badeklamotten herum, es würde also gar nicht auffallen.«
»Wegen der paar Tropfen? Nein, danke, das bisschen trocknet auch so«, erteile ich ihm eine freundliche Abfuhr. Ich trage nur einen String darunter, aber das will ich ihm nicht unbedingt auf die Nase binden.
»Wie Sie meinen«, zuckt er die Achseln.
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