Kim Schneyder
erdrücken wollte. Ein ausgeklügelter Plan also, insgesamt.
Er hatte nur einen klitzekleinen Haken.
Wenn man nämlich etwas vergrößert darstellt – ein menschliches Gesicht zum Beispiel –, dann wird dabei unglücklicherweise alles größer, die Nase, der Mund, die Augen und die Ohren, und das kann an sich schon problematisch sein.
Damit hätte ich mich allerdings noch abfinden können, eine raffinierte Frisur, der richtige Lippenstift, ein kunstgerechtes Make-up, damit wäre ich auch im King-Kong-Format noch gut rübergekommen. Doch meine Mimik, die wurde dann zu einem echten Problem. Als Edgar und ich uns die Probeaufnahmen auf der großen Vidiwall ansahen, traf mich die Erkenntnis wie Thors Hammer. Auf dieser Leinwand nahmen nicht nur Mund, Nase, Augen und Ohren gigantische Ausmaße an, sondern auch diverse Fältchen, die eine lebhafte Mimik nun mal mit sich bringt. Ehrlich, ein Geologe hätte an meinem Antlitz die allergrößte Freude gehabt: Sobald ich ernst guckte, erschien zwischen meinen Augen der Grand Canyon, wenn ich dabei auch noch konzentriert war, kam der Marianengraben rund um meine Augen dazu, und mit meinem Lachen hätte man mühelos die globale Polkappenverschiebung simulieren können.
Ich war fix und fertig. Wie sollte ich mit einem dermaßen erdkundlichen Antlitz die frohe Botschaft von Glück und Erfolg verkünden?
Ich war kurz davor, die ganze Sache abzublasen, da hatte Edgar die rettende Idee: Er hatte eine Bekannte, deren Bekannter war ein anerkannter Schönheitschirurg, und der würde mir helfen. Nicht mit einer Operation – so weit war es bei mir noch nicht, wie Edgar mir liebenswürdigerweise versicherte –, sondern mit ein paar einfachen kleinen Spritzen. Botox, natürlich, das war das Wundermittel, das mir den Weg zu Ansehen und Reichtum ebnen sollte, und obwohl ich normalerweise eine Heidenangst vor Spritzen habe, willigte ich in meiner Not ein.
Einen Tag, bevor mein großes Event über die Bühne gehen sollte, wurde ein Termin vereinbart, und dieser Beautydoc verabreichte mir als Erstes ein Beruhigungsmittel, bevor er zur Sache kam. Danach ging alles wie von selbst. Ich kicherte, und er spritzte, und als er sich um zweihundert Euro reicher wieder verzogen hatte, merkte ich erst mal gar nichts – was mich nicht weiter beunruhigte, hatte der Doktor doch vorhergesagt, dass es ein bisschen dauern würde mit der Wirkung.
Doch am nächsten Morgen, siehe da: Mein Gesicht war glatt wie der sprichwörtliche Babypopo, und auch, als ich vor dem Spiegel probeweise meinen Text aufsagte, änderte sich nichts daran. Alles in Butter also.
Am Abend dann mein großer Auftritt. Die Firmenbelegschaft wartete schon neugierig, und ich war bestens gelaunt, vermutlich auch, weil ich dem Doktor am Vorabend eine doppelte Dosis Beruhigungsmittel abgebettelt hatte und dessen Wirkung noch nicht ganz verflogen war.
Anfangs klopfte ich ein paar lockere Sprüche, die ich mir zurechtgelegt hatte, dann kam ich langsam zur Sache. Oder besser gesagt, wollte zur Sache kommen, denn, als ich das Wort »Körpersprache« in mein Mikro sprach, kam bei den Lautsprechern »Körpersache« heraus, und als ich sagen wollte: »Ihre Bewegungen könnten falsch verstanden werden«, klang es wie: »Diese Segnungen können arg behandelt werden.«
Da ging zum ersten Mal ein Raunen durch den Saal, und mir dämmerte, dass da irgendwas gewaltig schieflief. Ich dachte schon, der gute Edgar hätte mir einen Streich gespielt und etwas an der Tonanlage verstellt, aber dann entdeckte ich seinen verwunderten Blick. Ich begann Schreckliches zu ahnen. Die Worte des Schönheitsdocs sickerten in mein Bewusstsein: »Mit der Wirkung dauert es etwas, aber bis morgen Abend müssten sich ihre Muskeln entspannt haben.«
Was genau hatte er mit entspannt gemeint, und welche meiner Muskeln waren überhaupt davon betroffen?!
Die fragenden Blicke der Menge durchbohrten mich förmlich, und ich unternahm verzweifelt einen neuen Versuch, diesmal mit einer Anlehnung an ein klassisches Zitat: »Auch der Geringste unter euch kann Großes leisten!«, sollte es heißen, doch entsetzt vernahm ich: »Auch der Dümmste unter euch darf Moses heißen!«, und jetzt begannen die Ersten ganz offen zu lachen.
Es war wie verhext. Ich war unfähig, auch nur einen einzigen vernünftigen Satz zu formulieren, dieser Aushilfsfrankenstein musste mir sein Teufelszeug irgendwohin gespritzt haben, wo es verdammt noch mal gar nichts verloren hatte. Hilflos stand ich da
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