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Kind 44

Kind 44

Titel: Kind 44 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
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nach Hause.«
    Leo rappelte sich hoch. »Wir haben überhaupt nichts aufgeklärt.«
    Er schlug noch einmal zu. Nesterow parierte und schlug zurück. Leo duckte sich. Er war ein guter Kämpfer, durchtrainiert und erfahren. Aber Nesterow war größer und trotz seiner Größe schnell auf den Beinen. Leo erhielt einen Schlag in den Magen und knickte ein. Nesterow traf ihn ein zweites Mal, diesmal seitlich im ungeschützten Gesicht. Leo fiel auf die Knie, sein Kinn war aufgeplatzt. Mit verschleiertem Blick kippte er vornüber und schlug hin. Er rollte sich auf den Rücken und keuchte. Nesterow stand über ihm. »Gehen Sie nach Hause.«
    Als Antwort trat Leo ihm direkt in die Weichteile. Nesterow schlingerte zurück und krümmte sich. Leo rappelte sich torkelnd auf. »Wir haben gar nichts ...«
    Bevor er den Satz zu Ende sprechen konnte, sprang Nesterow vor und prallte gegen ihn, warf ihn zu Boden und lag nun auf ihm. Er schlug ihn in den Magen, ins Gesicht, wieder in den Magen, ins Gesicht. Leo lag da und musste einen Schlag nach dem anderen einstecken, ohne sich wehren zu können. Nesterows Knöchel waren blutig geschlagen. Er ließ von Leo ab und keuchte. Leo rührte sich nicht. Er hatte die Augen geschlossen. Aus einer geplatzten Augenbraue lief ihm Blut ins rechte Auge. Nesterow stand auf, sah Leo an und schüttelte den Kopf. Er ging zur Haustür und wischte sich das Blut am Hosenbein ab. Als er schon die Hand am Türknauf hatte, hörte er hinter sich ein Geräusch.
    Vor Schmerzen zusammenzuckend kämpfte Leo sich hoch. Er stand unsicher auf den Beinen, hob aber die Fäuste, als wolle er weiterkämpfen. Wie in einem Boot auf dem Meer schwankte er hin und her. Er konnte nur ahnen, wo Nesterow sich befand. Flüsternd stieß er hervor. »Wir ... haben ... überhaupt nichts ... aufgeklärt.«
    Nesterow sah, wie Leo wankte. Mit geballten Fäusten ging er auf ihn los und wollte ihn niederschlagen. Leo schlug zu, ein aussichtsloser, erbärmlicher Schlag. Nesterow machte einen Ausfallschritt und bekam ihn unter den Armen zu fassen, als Leos Beine auch schon wegsackten.
    ***
    Leo saß am Küchentisch, Inessa hatte auf dem Herd etwas Wasser heiß gemacht, das sie jetzt in eine Schale goss. Nesterow tunkte einen Lappen hinein und überließ es Leo, sich das Gesicht zu säubern. Seine Lippe war aufgesprungen, und aus einer Augenbraue blutete es. Der Schmerz in seinem Magen hatte aufgehört. Leo drückte einen Finger auf seine Brust und die Rippen, aber es fühlte sich nichts gebrochen an. Sein rechtes Auge war zugeschwollen, er konnte es nicht aufmachen. Aber das war ein relativ geringer Preis, um Nesterows Aufmerksamkeit zu erringen. Leo fragte sich, ob sich seine Sache hier drinnen auch nur im Geringsten überzeugender anhören würde als draußen und ob Nesterow es sich leisten konnte, sich vor seiner Frau genauso desinteressiert zu zeigen, wo doch ihre Kinder im Zimmer nebenan schliefen.
    »Wie viele Kinder haben Sie?«
    Es war Inessa, die antwortete. »Wir haben zwei Jungen.«
    »Gehen sie auf dem Weg zur Schule durch den Wald?«
    »Zumindest früher.«
    »Jetzt nicht mehr?«
    »Wir lassen sie den Weg durch die Stadt nehmen. Es ist weiter, und sie maulen. Ich muss sie begleiten, damit sie nicht doch heimlich durch den Wald gehen.
    Auf dem Nachhauseweg bleibt uns nichts übrig, als ihnen zu vertrauen. Wir arbeiten ja beide.«
    »Gehen sie denn morgen wieder durch den Wald? Wo doch der Mörder jetzt gefasst ist?«
    Nesterow stand auf und stellte ein Glas vor Leo hin.
    »Möchten Sie vielleicht was Stärkeres?«
    »Wenn Sie was dahaben.«
    Nesterow holte eine halbe Flasche Wodka hervor und goss drei Gläser ein, eins für sich, eins für seine Frau und eins für Leo. Der Wodka brannte auf der Wunde in Leos Mund. Vielleicht half es ja sogar.
    Nesterow setzte sich und goss Leo nach. »Warum sind Sie in Wualsk?«
    Leo tauchte den blutigen Lappen in die Wasserschale, drückte ihn aus und hielt ihn sich ans Auge. »Ich bin hier, um die Morde an diesen Kindern aufzudecken.«
    »Das ist eine Lüge.«
    Leo musste das Vertrauen dieses Mannes gewinnen.
    Ohne seine Hilfe konnte er nichts weiter unternehmen.
    »Sie haben recht. Aber es gab in Moskau einen Mord.
    Ich hatte nicht den Auftrag, in der Sache zu ermitteln.
    Ich hatte den Auftrag, sie unter den Teppich zu kehren.
    Was das betrifft, habe ich meine Pflicht erfüllt. Nicht erfüllt habe ich sie, als ich mich weigerte, meine Frau als Spionin zu denunzieren. Man betrachtete mich als

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