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Kind 44

Kind 44

Titel: Kind 44 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
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Er würde niemals eine große Sammlung haben. Andere würden immer mehr haben als er, egal wie hart er arbeitete, das konnte er im Leben nicht aufholen. Besser, wenn er ging. Entmutigt wollte er schon aufstehen, als der Mann fragte:
    »Bist du auch ordentlich?«
    »Jawohl.«
    »Passt du gut auf deine Briefmarken auf?«
    »Ich passe sehr gut auf sie auf. Ich habe sie alle in ein Album geklebt, und mein Papa hat mir eine Holzkiste gebastelt, damit an das Album auch nichts drankommt.
    Manchmal regnet es durchs Dach. Und manchmal gibt es auch Ratten.«
    »Das ist schlau, das Album sicher zu verstauen. Ich habe es auch so gemacht, als ich so alt war wie du.
    Meins habe ich in einer Schublade verwahrt.«
    Der Mann schien etwas abzuwägen. »Pass mal auf. Ich habe selber Kinder, zwei kleine Mädchen, aber keins davon interessiert sich für Briefmarken. Sie sind beide unordentlich. Ich selbst habe keine Zeit mehr für meine Briefmarken, dafür muss ich zu viel arbeiten. Verstehst du das? Deine Eltern haben doch bestimmt auch viel Arbeit.«
    »Von morgens bis abends.«
    »Die haben doch bestimmt auch keine Zeit für Briefmarken, oder?« »Nein.«
    »Mir geht es genauso. Und gerade ist mir eine Idee gekommen. Ich möchte meine Sammlung jemandem überlassen, der sie zu schätzen weiß. Jemandem, der sich darum kümmern würde. So jemandem wie dir.«
    Petja malte sich die Aussicht auf ein ganzes Album voller neuer Briefmarken aus. Sie würden bis in die Zeit zurückreichen, wo der Mann angefangen hatte zu sammeln. Es wäre die Sammlung, die er sich immer erträumt hatte. Es verschlug ihm die Sprache, er konnte sein Glück kaum fassen.
    »Und? Würde dich das interessieren?«
    »Natürlich. Ich könnte sie in meine Holzkiste räumen, da wären sie sicher.«
    Der Mann schien nicht überzeugt, er schüttelte den Kopf. »Aber mein Album ist so voll mit Briefmarken, dass es vielleicht gar nicht in deine kleine Kiste passt.«
    »Dann macht mir mein Vater eben noch eine. Der kann das sehr gut, und es würde ihm auch überhaupt nichts ausmachen. Er bastelt gerne Sachen, und er ist sehr geschickt.«
    »Und bist du auch sicher, dass du auf die Marken gut aufpassen würdest?«
    »Aber ja.«
    »Versprich es mir.«
    »Ich verspreche es.«
    Der Mann lächelte. »Du hast mich überzeugt. Du kannst sie haben. Ich wohne nur drei Haltestellen weiter. Ich kaufe dir eine Fahrkarte.«
    Petja wollte schon sagen, dass man keine Fahrkarte brauchte, aber er schluckte die Worte hinunter. Besser nicht zugeben, dass er schon mal schwarzfuhr. Bis er die Briefmarken hatte, musste er bei dem Mann den guten Eindruck wahren.
    Petja saß auf der Holzbank der Elektritschka, schaute aus dem Fenster in den Wald und schlenkerte die Beine, die Füße berührten fast den Boden. Er fragte sich gerade, ob er seine Kopeken überhaupt noch für eine neue Briefmarke ausgeben sollte. Das war doch gar nicht mehr nötig, wo er doch die ganzen anderen Marken bekommen würde. Er beschloss, seinen Eltern das Geld zurückzugeben. Es wäre doch schön, wenn sie an seinem Glück würden teilhaben können.
    Der Mann tippte ihm auf die Schulter und unterbrach ihn in seinen Gedanken. »Wir sind da.«
    Die Elektritschka war an einer Haltestelle mitten im Wald stehen geblieben, weit vor der Stadt Schachty.
    Das war nur eine Ausflugshaltestelle für Leute, die ins Grüne wollten. Es gab nur von Wanderern ausgetretene Pfade durchs Unterholz. Aber jetzt, so kurz nach der Schneeschmelze, war zum Wandern gar nicht die richtige Zeit. Der Wald war kahl und unwirtlich. Petja wandte sich seinem Reisegefährten zu. Dessen elegante Schuhe und der Koffer fielen ihm wieder auf. »Hier wohnen Sie?«
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Hier ist nur meine Datscha. Zu Hause kann ich meine Briefmarken nicht lassen. Ich würde mir viel zu große Sorgen machen, dass meine Kinder sie finden und sie mit ihren schmutzigen Fingern antatschen. Aber jetzt muss ich die Datscha verkaufen, verstehst du? Da weiß ich nicht mehr, wohin mit meiner Sammlung.«
    Der Mann stieg aus. Petja folgte ihm und trat auf den Bahnsteig. Sonst war niemand ausgestiegen.
    Der Mann ging in den Wald, Petja blieb dichtauf. Dass er eine Datscha hatte, klang glaubhaft. Petja kannte zwar keinen, der reich genug gewesen wäre, sich ein Sommerhäuschen zu halten, aber er wusste, dass solche Datschen oft in Wäldern, an Seen oder am Meer lagen. Während sie weitergingen, fuhr der Mann fort:
    »Es wäre natürlich schön gewesen, wenn meine

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