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Kind 44

Kind 44

Titel: Kind 44 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
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weit von einem beliebten Wanderpfad entlang eines Flusses gefunden. Ein anderes kleines Mädchen war kaum 100 Meter von ihrem Elternhaus entfernt in einem Park ermordet worden, hinter einem Denkmal.
    Er kauerte sich wieder neben seinen Sohn. »Geh zurück zu den Decken. Und da bleibst du, egal wer dich anspricht und was sie sagen. Selbst wenn es Erwachsene sind, die verlangen, dass du ihnen gehorchst, du bleibst, wo du bist!«
    Dann fiel Nesterow ein, wie viele Kinder sich hatten überreden lassen, mit in den Wald zu gehen. Er besann sich eines Besseren und nahm seinen Sohn bei der Hand. »Komm mit. Wir suchen zusammen nach deinem Bruder.«
    Seine Frau ging den Strand hoch, er selbst nahm die entgegengesetzte Richtung und schlängelte sich durch das Gewirr der Leute. Er ging schnell, zu schnell für Efim, deshalb nahm er ihn auf den Arm und trug ihn.
    Sie liefen bis zum Ende des Strands, wo er in hohes Schilfgras überging.
    Efim wusste ein bisschen darüber, was sein Vater arbeitete. Er wusste auch von den beiden ermordeten Kindern bei ihnen zu Hause, aber seine Eltern hatten ihn schwören lassen, mit niemandem darüber zu reden.
    Keiner sollte sich deswegen Sorgen machen, die Fälle würden schon aufgeklärt werden. Efim wusste, dass sein kleiner Bruder in Gefahr war. Er war ein redseliger, freundlicher Junge, der bestimmt zu keinem unhöflich wäre. Efim hätte besser auf ihn aufpassen sollen. Das hier war seine Schuld. Er fing an zu weinen.
    Am anderen Ende des Strands rief Inessa nach ihrem Sohn. Sie hatte die Akten der Fälle gelesen, in denen ihr Mann ermittelt hatte. Sie wusste haargenau, was mit den verschwundenen Kindern passiert war. Jetzt bekam sie panische Angst und machte sich schwerste Vorwürfe. Sie selbst hatte ihrem Mann gesagt, er sollte Leo helfen. Sie hatte ihn ermuntert und ihn nur zu der Vorsichtsmaßnahme ermahnt, die Nachforschungen geheim zu halten. Von seinem Naturell her war er eher von der unverblümten Sorte, und bei dieser Sache musste man behutsam vorgehen. Sie hatte seine Briefe gelesen, bevor er sie abgeschickt hatte, und hier und da noch Zusätze vorgeschlagen für den Fall, dass die Briefe abgefangen würden. Als er ihr die Landkarte mit den Stecknadeln gezeigt hatte, hatte sie jede einzelne Nadel angefasst. Es war eine unvorstellbare Zahl, und in jener Nacht hatte Inessa bei ihren Söhnen im Bett geschlafen. Ihre Ferien mit weiteren Nachforschungen zu verknüpfen war auch ihre Idee gewesen. Die meisten Morde konzentrierten sich im Süden des Landes, und Nesterows einzige Möglichkeit, sich hier unauffällig für längere Zeit aufzuhalten, war, dass er zur Verschleierung die Familie mitnahm. Erst jetzt wurde ihr so richtig bewusst, dass sie ihre Kinder in Gefahr gebracht hatte. Sie hatte sie mitten ins Zentrum dieser mysteriösen Gräuel geführt. Sie hatte die Macht dessen, nach dem sie suchten, unterschätzt. Kein Kind war sicher. Scheinbar nach Belieben wurden sie entführt und nur wenige Meter von ihren Elternhäusern entfernt umgebracht. Und jetzt hatte diese Bestie sich ihren Jungen geschnappt.
    Außer Atem rief sie nach ihrem Sohn, schrie mit angsterfüllten Augen den Badenden seinen Namen ins Gesicht. Leute umringten sie und gafften sie mit dumpfer Gleichgültigkeit an. Inessa flehte sie an, ihr zu helfen:
    »Er ist erst fünf Jahre. Er ist entführt worden. Wir müssen ihn wiederfinden.«
    Eine ernst dreinblickende Frau versuchte sie festzuhalten. »Er wird schon irgendwo sein.«
    »Verstehen Sie nicht? Er ist in schrecklicher Gefahr.«
    »Was denn für eine Gefahr?«
    Inessa stieß die Frau zur Seite, wandte sich hierhin und dorthin und rief immer wieder seinen Namen. Plötzlich spürte sie, wie die starken Hände eines Mannes ihre Arme umklammerten. »Mein kleiner Junge ist entführt worden. Bitte helfen Sie mir, ihn zu suchen.«
    »Jetzt beruhigen Sie sich doch!«
    »Nein! Man wird ihn umbringen. Ermorden. Sie müssen mir helfen, ihn zu finden!«
    Der Mann lachte. »Hier wird keiner umgebracht. Ihr Junge ist vollkommen sicher.« Inessa wand sich, aber der Mann ließ sie nicht los. Unter den mitleidigen Blicken der Umstehenden versuchte sie sich loszureißen.
    »Lassen Sie mich los! Ich muss meinen Sohn finden.«
    Nesterow schob sich durch die Menge und kämpfte sich zu seiner Frau durch. Er hatte seinen Jüngsten spielend im Schilf gefunden und trug jetzt beide Kinder auf dem Arm. Der Mann ließ Inessas Arm los. Sie nahm Vadim und umfasste seinen Kopf, als sei er aus

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