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Kind 44

Kind 44

Titel: Kind 44 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
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der Morde hier passiert ist. Ihr Sohn wurde doch ermordet, oder?«
    »Nein. Er kam bei einem Unfall um. Er wurde von einem Zug überfahren.«
    »Und man hat damals doch Leo losgeschickt, um sich um die Angelegenheit zu kümmern, oder?«
    »Ja, aber ...«
    »Und da haben Sie noch geglaubt, ihr Sohn sei ermordet worden, nicht wahr?«
    »Ich war eben aufgewühlt. Es war alles sehr schwierig ...«
    »Und als Leo nun für seine Nachforschungen zurückkam, da ging es nicht um Ihr Kind?«
    »Nein.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Woher wissen Sie, was Leo interessierte und was nicht?«
    Wassili setzte sich wieder hin und betrachtete in gespielter Enttäuschung seine Fingernägel. »Fjodor, Sie haben ganz offensichtlich eine sehr geringe Meinung über mich.«
    »Das stimmt nicht, Genosse.«
    »Sie müssen eines verstehen: Wenn Leo recht hat, wenn es wirklich einen Kindermörder gibt, dann muss er unbedingt gefasst werden. Ich will Leo helfen, Fjodor. Es ist meine Pflicht als Vater und Offizier, diesen schrecklichen Verbrechen Einhalt zu gebieten. Alle persönlichen Animositäten zwischen Leo und mir stehen dahinter zurück. Wenn ich wollte, dass Leo stirbt, würde ich einfach gar nichts sagen. Im Augenblick hält die ganze Welt ihn und seine Frau für Spione. Sobald man sie entdeckt, werden sie erschossen, und ich fürchte, dann sind ihre gesamten Erkenntnisse verloren. Noch mehr Kinder werden sterben. Wenn ich aber alle Fakten kennen würde, könnte ich vielleicht meine Vorgesetzten überzeugen, die Jagd nach diesem Mann abzublasen. Wenn nicht, was für eine Chance haben Leo und Raisa denn dann schon noch?«
    »Keine.«
    Wassili nickte, erfreut über diese Bestätigung. Dann stimmte es also. Leo glaubte, dass ein einziger Mann hinter all diesen Todesfällen steckte. Wassili fuhr fort.
    »Was ich genau meine, ist: Die haben kein Geld, und sie sind Hunderte von Kilometern von ihrem Ziel entfernt.«
    »Wo sind sie denn geflüchtet?«
    Fjodors zweiter Fehler. Damit zeigte er, dass er ebenfalls glaubte, Leo wolle diesen Mörder fassen. Alles, was Wassili jetzt noch brauchte, war das eigentliche Ziel. Er tippte östlich von Moskau auf die Eisenbahnlinien und beobachtete, wie Fjodors Augen von dort über die Karte nach Süden wanderten. Leo wollte also nach Süden. Aber wohin genau? Er redete Fjodor gut zu. »Die meisten scheinen im Süden passiert zu sein.«
    »Na ja, nach der Karte zu urteilen ...«
    Fjodor hielt inne. Vielleicht konnte er Wassili einen Hinweis geben, ohne sich selbst zu belasten. Dann könnten sie gemeinsam ihre Vorgesetzten darum bitten, ihre Ansichten über Leo und Raisa zu revidieren.
    Schon lange hatte Fjodor nach einer Möglichkeit gesucht, ihnen zu helfen. Und da war sie. Er würde sie von Bösewichten in Helden verwandeln. Als sie sich in Moskau getroffen hatten, hatte Leo erwähnt, dass ein Offizier der Miliz nach Rostow gefahren war, um die These zu erhärten, dass dort der Mörder höchstwahrscheinlich lebte. Fjodor tat so, als prüfe er noch einmal die Unterlagen.
    »Nach der Häufung der Morde zu urteilen, würde ich sagen, es ist Rostow am Don. Die ganzen ersten Morde sind im Süden passiert. Da irgendwo muss er wohnen.«
    »In Rostow?«
    »Was, glauben Sie, wäre die beste Methode, unsere Vorgesetzten zu überzeugen?«
    »Erst muss ich alles verstehen. Wir würden ja ein großes Risiko eingehen, praktisch unseren Kopf in die Schlinge legen. Deshalb müssen wir ganz sichergehen.
    Erklären Sie mir noch mal, warum Sie glauben, dass dieser Mörder irgendwo im Süden lebt.«
    Während Fjodor ganz in die Unterlagen vertieft war und über dies und das redete, stand Wassili auf, trat hinter seinen Schreibtisch, holte seine Pistole hervor und zielte auf Fjodors Herz.
    Südöstliche Rostower Oblast

14. Juli
    Leo und Raisa steckten in einer Kiste, die höchstens einen Meter breit und zwei Meter lang war. Menschliche Fracht. Schmuggelware auf dem Weg nach Süden.
    Nach dem Ende der Durchsuchung der Kolchose durch die Miliz hatten die Bewohner Leo und Raisa in einem Lastwagen in die nächstgelegene Stadt gebracht, nach Rjasan. Dort hatte man sie mit Freunden und Verwandten bekannt gemacht. In einer kleinen Wohnung hatten sich mehr als 30 Leute versammelt und die ohnehin schon stickige, heiße Luft mit dem Rauch ihrer billigen Zigaretten verpestet, und Leo hatte von seinen Nachforschungen berichtet. Da war niemand gewesen, den man von der Dringlichkeit des Vorhabens hätte überzeugen

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