Kind der Hölle
sie erledigen wollte.
Erst einen Block vom Haus entfernt erinnerte sie sich wieder an ihren Alptraum, der Molly betraf, und sie überlegte, ob sie nicht umkehren sollte, um sich zu vergewissern, daß ihre kleine Schwester wohlauf war. Aber dann würde sie zu spät zum Unterricht kommen.
Außerdem war es ja nur ein Alptraum gewesen.
Nichts weiter als ein Alptraum.
Die beiden Wagen hielten vor dem Haus der Conways, und die Fahrer stiegen aus. Doch als Corinne Beckwith ihrem Mann zum Haupteingang folgen wollte, hob Ray gebieterisch die Hand, so als wäre er ein Verkehrspolizist. »Dies ist eine amtliche Angelegenheit, die ich allein erledigen muß, okay?«
Corinne wollte widersprechen. »Wenn ich heute morgen nicht rausgefahren wäre, um mich um Jakes Hund zu küm …« Die Worte erstarben ihr auf den Lippen, als ihr die Ausstrahlung des Hauses bewußt wurde, und plötzlich wollte sie Ray gar nicht mehr begleiten. Es muß am Licht liegen, sagte sie sich, aber sie wußte, daß es nicht nur an den Schatten lag, die auf die Veranda fielen. Die düstere Atmosphäre, die im Haus herrschte, drang sogar durch die dicken Mauern nach draußen.
Wie kann jemand hier leben wollen? fragte sie sich schaudernd, während sie ihrem Mann nachblickte.
Ray Beckwith drückte auf die Klingel und wartete nervös darauf, daß die Tür geöffnet wurde. Während er von einem Fuß auf den anderen trat, rief er sich energisch ins Gedächtnis, daß er eine Amtsperson war und überhaupt keinen Grund hatte, aufgeregt zu sein. Er war es aber, seit er sich dem Haus genähert hatte.
Bisher hatte er keine schlechten Erfahrungen mit Ted Conway gemacht. Gestern war der Mann zwar ein bißchen wütend gewesen, aber wer konnte ihm das verübeln, nachdem Vater MacNeill seinen Sohn indirekt beschuldigt hatte, das Grab seines Onkels geschändet zu haben. Und Conways Vorschlag, Jake Cumberland unter die Lupe zu nehmen, hatte sich ja auch als sehr vernünftig erwiesen, obwohl Ray immer noch an der Schuld des Trappers zweifelte. Jetzt war Jake tot, und wenn es wirklich Jareds Hund gewesen war, dessen Kopf sie in der Hütte gefunden hatten …
Seine Überlegungen wurden unterbrochen, als Ted Conway die Tür öffnete. Im ersten Moment schien er den Sheriff nicht zu erkennen, doch gleich darauf lächelte er. Es war ein strahlendes Lächeln, das Rays Nervosität sofort verfliegen ließ.
»Hallo, Ray, wie geht’s?« Conway sah Corinne auf dem Gehweg stehen. »Oha, die Anwesenheit unserer Lokalreporterin deutet darauf hin, daß das kein reiner Freundschaftsbesuch ist! Vater MacNeill wird Sie und Ihre Frau doch nicht überzeugt haben, daß Jared etwas angestellt hat?« Er zwinkerte Beckwith zu, so als teilten sie ein Geheimnis. »Oder geht es um mich? Sie wollen mir doch hoffentlich nicht erzählen, ich hätte gegen irgendwelche Bestimmungen verstoßen? Das Hotel ist ja noch nicht mal eröffnet! Das wird frühestens in einigen Monaten der Fall sein.«
»Nein, es geht um eine wirklich ernste Angelegenheit.« Ray berichtete von Jakes Selbstmord, von den Schmierereien in der Hütte und dem grausigen Fund in der Truhe. »Als Corinne mir sagte, daß Sie einen Golden Retriever haben, sah ich mich veranlaßt, mit Ihnen zu sprechen.«
Ted Coway hielt seinem Blick ruhig stand. »Und jetzt glauben Sie, Jared hätte seinen eigenen Hund in Jakes Hütte umgebracht?« Er schüttelte traurig den Kopf. »Sind Sie ganz sicher, daß Sie nicht mit Vater MacNeill gesprochen haben? Dem würden solche Behauptungen ähnlich sehen, finden Sie nicht auch?« Seine Stirn legte sich in Falten. »Eines stimmt allerdings: Scout ist wirklich nicht da. Jared hat ihn gestern abend rausgelassen, er ist aber nicht zurückgekommen.« Er zuckte hilflos mit den Schultern. »Wir vermuteten, das irgendwo in der Nachbarschaft eine läufige Hündin sein müsse. Sie wissen ja, wie Hunde sind, wenn sie diesen Geruch wittern, gibt es kein Halten mehr!«
Ray Beckwith nickte. »Stimmt, sie sind manchmal noch schlimmer als Kater!« Er holte sein kleines Notizbuch aus seiner Jackentasche. »Sie sagen, daß es Jared war, der den Hund rausgelassen hat?«
»Ja, aber ich war dabei. Wir waren beide in der Küche, und als mein Sohn die Tür öffnete, schoß Scout wie eine Rakete davon.«
»Ist Ihr Sohn danach noch weggegangen?«
Ted schüttelte den Kopf. »Es war schon ziemlich spät, und heute ist ja Schultag. Außerdem fühlte er sich nicht gut und ist nach unseren erfolglosen Versuchen, den Hund
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