Kind der Hölle
beschnupperte ihre Finger winselte leise und leckte ihre Hand. »Braver Junge«, lobte Corinne. Während sie die Hütte betrachtete, kraulte sie ihn hinter den Ohren. »Ich könnte wetten, daß du hungrig bist, stimmt’s? Deshalb bin ich hier. Zuerst werden wir für dich etwas zu fressen finden, und dann werden wir uns überlegen, wo du von jetzt an leben kannst.« Obwohl er ihre Worte bestimmt nicht verstehen konnte, schien er an ihrem Ton zu erraten, daß sein Herr nicht zurückkommen würde, denn er warf sich plötzlich jaulend auf den Boden. Corinne ging neben ihm in die Hocke und streichelte sein Fell. »Ich weiß, mein Junge … Du wirst ihn vermissen, was?« Sie tätschelte ihn noch einmal, richtete sich dann auf und machte einen Schritt auf die Hütte zu. Der Hund sprang auf und knurrte leise.
»Na, läßt du mich mal einen Blick reinwerfen, oder springst du mir dann an die Gurgel?« Er preßte sich an ihre Beine und schaute aus blutunterlaufenen Augen zu ihr auf. »Nein, an die Gurgel springst du mir nicht, habe ich recht?«
Als sie wieder auf die Hütte zuging, folgte der Hund ihr. Er bellte jedoch laut, als sie die Tür öffnen wollte.
Corinne überlegte, ob das eine Warnung war, oder ob er es nur nicht erwarten konnte, selbst in die Hütte hineinzukommen. Um kein Risiko einzugehen, immerhin war er ein Wachhund, trat sie ans Fenster. Sie schirmte ihre Augen mit den Händen gegen die helle Morgensonne ab und spähte in den Raum. Die Wände waren mit rostfarbener Farbe beschmiert.
Farbe … oder Blut?
Mit einem Gefühl der Übelkeit trat Corinne vom Fenster zurück und legte dem Hund eine Hand auf den Kopf. »Wer war das?« fragte sie. »Wer ist hier gewesen?« Sie verließ die Veranda, fischte in ihrer Handtasche nach dem Handy und rief ihren Mann an. »Du solltest gleich mal rauskommen, Ray. In Jakes Hütte muß letzte Nacht etwas Schreckliches passiert sein, und nachdem er sich im Gefängnis erhängt hat, wird niemand ihn dafür verantwortlich machen können!«
Zwanzig Minuten später stand Ray mit seiner Frau in Jakes Hütte und betrachtete grimmig die seltsamen Muster und Symbole, die mit Blut an die Wände gemalt worden waren.
»Sieht ganz so aus, als wäre gestern nacht jemand hier gewesen, der Jakes Voodoo-Zauber nachgemacht hat!«
Corinne nickte. Als Ray ihr von Jakes Selbstmord erzählt hatte, war ihr erster Gedanke gewesen, daß Jakes Magie gegen ihn selbst gerichtet worden war. Sie selbst glaubte weder an Voodoo noch an irgendeine andere Religion, aber sie wußte, daß Voodoo-Anhänger manchmal krank wurden oder sogar starben, wenn sie glaubten, selbst Opfer eines Zauberspruchs geworden zu sein.
Die Macht der Einbildung …
Wenn dieser Unbekannte Jake darüber informiert hatte, welches Ritual zu welcher Stunde vollzogen werden sollte …
Corinne malte sich aus, wie Jake in seiner Zelle auf diese Stunde gewartet hatte, wie der Voodoo-Zauber gegen ihn gerichtet, ihn in den Selbstmord getrieben hatte. Doch während sie die Pentagramme und anderen Symbole an den Wänden musterte, kehrten ihre Augen immer wieder zu einem Kreuz zurück, dessen Querbalken tief unter dem Mittelpunkt lagen.
Ein auf den Kopf gestelltes christliches Kreuz?
»Könnten es nicht auch Satanisten gewesen sein?« fragte sie.
Ray Beckwith stöhnte laut auf. »Jetzt hörst du dich fast wie Vater MacNeill an! Als nächstes wird du noch die Conways für diese Sauerei verantwortlich machen, so wie er es gestern früh auf dem Friedhof getan hat!« Er ging zur Tür.
»Wohin willst du? Du hast die Hütte ja noch nicht einmal durchsucht.«
»Ich hole den Hund«, antwortete Ray. »Vielleicht kann er uns zu dem Schuldigen führen.«
Er holte ein langes Lederband aus dem Kofferraum seines Streifenwagens, und der Hund leistete keinen Widerstand, als Beckwith ihn loskettete und anleinte. Als der Sheriff ihn aber in die Hütte führen wollte, blieb er störrisch stehen, und als Ray an der Leine zerrte, schnappte er knurrend nach ihm.
»Herrgott!« Beckwith konnte seine Hand gerade noch rechtzeitig in Sicherheit bringen. »Was hat er nur? Er muß doch tausendmal in der Hütte gewesen sein!«
»Jetzt will er aber nicht, und er wollte vorhin auch nicht, daß ich hineinging«, erwiderte Corinne. »Die Frage ist nur, was das zu bedeuten hat.«
Beckwith runzelte die Stirn. »Daß Jake einen saudummen, sturen und nichtsnutzigen Hund hatte!«
Corinne schüttelte den Kopf. »Vielleicht hat das, was letzte Nacht hier passiert ist,
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