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Kind der Hölle

Kind der Hölle

Titel: Kind der Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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Höhlen gesunken zu sein – und Kim sah darin den gleichen Ausdruck wie am Morgen in den Augen ihres Bruders und Vaters. Auch Luke starte sie jetzt an – genauso kalt und … haßerfüllt?
    Kims Puls raste, als ihr eine Szene aus einem ihrer Alpträume einfiel: Sandy und Luke, die sich auf dem Boden vor dem seltsamen Altar ekstatisch wälzten.
    »Laß uns in Ruhe, du blöde Gans!« zischte Sandy wutentbrannt, und Kim erkannte ihre Stimme kaum wieder.
    Mit schreckensweit aufgerissenen Augen dachte sie: Sandy hört sich wie Jared an! Wie Jared, als er gestern mit Vater MacNeill geredet hat!
    Sie machte einen Schritt auf ihre Freundin zu. Ohne Vorwarnung spuckte Sandy sie an.
    Während Kim entsetzt den grünlichen Speichel auf ihrer Bluse betrachtete, brachen Sandy und Luke in hämisches Gelächter aus. Derart gedemütigt, wirbelte Kim auf dem Absatz herum und rannte in die Schule zurück. Zum Glück hatten die Korridore sich geleert, weil die Pause fast zu Ende war. Tränenblind stürzte sie in die nächstbeste Mädchentoilette, ließ ihre Büchertasche auf den Boden fallen und starrte sich im Spiegel an. Sie war fast so bleich wie Sandy, und während immer neue Bilder und Erinnerungen über sie hereinbrachen – Traumfetzen ebenso wie reale Begebenheiten –, wurde sie von Fassungslosigkeit und Grauen überwältigt.
    Sie wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser und rieb sodann an dem Fleck auf ihrer Bluse herum. Sandy hatte sie angespuckt! Völlig grundlos angespuckt! Wie hatte sie …
    Kim vergaß ihre Empörung, als sie im Spiegel sah, daß ihre Bluse an der Stelle, wo Sandys Speichel gelandet war, ein kleines Loch aufwies.
    Ein Brandloch mit schwärzlichen Rändern.
    Ein Wimmern entrang sich Kims Kehle, und sie rieb noch fester an der Bluse, so als könnte sie auf diese Weise das Loch beseitigen. Und dann hörte sie ihren Namen.
    »Kimmie? Kimmie!«
    Sie warf einen Blick in den Spiegel, und da war er.
    Jared!
    Sie drehte sich um.
    Die Toilette war leer. Sie war allein.
    »Kimmie!«
    Sie wirbelte wieder herum, aber jetzt konnte sie Jared auch im Spiegel nicht sehen.
    »Kimmie, hilf mir!«
    Jareds Stimme hatte einen flehenden Klang, und Kim erinnerte sich an den Alptraum im Morgengrauen, als sie vergeblich versucht hatte, ihren Bruder vor dem Ertrinken zu retten.
    »Jared?« flüsterte sie, und das Echo ihrer kaum hörbaren Stimme hallte in der leeren Toilette viel zu laut wider. »O Gott, Jared, was geschieht mit uns?«
    Er rief wieder nach ihr, aber diesmal von draußen. Kim ließ ihre Bücher liegen und rannte hinaus.
    Der Korridor war leer.
    Trotzdem hörte sie Jareds Stimme und folgte ihr.
    Den Korridor entlang, eine Treppe hinauf.
    Einen anderen Korridor entlang.
    Sie erinnerte sich an die endlosen Korridore aus ihren Alpträumen, doch das hielt sie nicht davon ab, Jareds immer schwächer werdenden Stimme zu folgen.
    Schließlich stand sie vor einer geschlossenen Tür. Das Blut gefror ihr in den Adern, weil sie zu wissen glaubte, was sich hinter dieser Tür verbarg.
    Die obszöne Kathedrale – der Schauplatz ihrer schlimmsten Alpträume!
    Sie sah die flackernden Kerzen auf dem Altar, die Mollys schmerzverzerrtes Gesicht beleuchteten … ihre kleine Schwester, die mit dem Kopf nach unten an einem Kreuz hing…
    »Küiiimm!« hörte sie Jared verzweifelt rufen.
    Kim nahm ihren ganzen Mut zusammen und riß die Tür auf.
    Keine Kathedrale.
    Nur der Biologiesaal.
    Labortische mit Arbeitsplatten aus Zink und vielen Waschbecken. Wandregale mit versiegelten Glasbehältern, wo die Schüler sezierte Frösche und Mäuse, aber auch Organe größerer Tiere, die in Formaldehyd schwammen, bestaunen konnte.
    Doch jetzt waren die Behälter mit Blut gefüllt, und in jedem schwamm ein Körperteil von Klein-Molly. Ein Fuß, ein Bein, eine Hand … Und im größten Glas lag Mollys Kopf.
    Ihr Gesicht war schmerzverzerrt, der Mund weit aufgerissen. Ihre glasigen Augen schienen Kim durch das Blut hindurch anzustarren. Kim glaubte die Qualen zu spüren, die ihr Schwesterchen durchgemacht hatte, als es …
    Der Gedanke war so unerträglich, daß sie aufschrie und sich abwandte. Doch wohin sie auch schaute – überall waren Glasbehälter, aus denen Molly sie anstarrte.
    Kim schrie und schrie, weil sie diese Bilder einfach nicht verkraften konnte. Schließlich brach sie schluchzend und stöhnend auf dem Fußboden zusammen.
    »Nein«, wimmerte sie. »O nein … bitte … nein!«

36. Kapitel

    Janet wachte ganz langsam auf. Sie genoß

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