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Kind der Hölle

Kind der Hölle

Titel: Kind der Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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Bleib weg! Bleib weg von hier!«
    Bestürzt schaute Jared zu seiner Mutter hinüber, versuchte dann aber doch noch einmal sein Glück, indem er der Sterbenden eine Hand auf die knochige Schulter legte. »Ich freue mich genauso wie Kim, dich kennenzulernen.«
    Cora zuckte wie von einer Tarantel gestochen zusammen. »Geh!« röchelte sie. »Verschwinde!«
    Jared sah wieder hilfesuchend seine Mutter an, die mit dem Kopf in Richtung Tür deutete. »Es tut mir leid«, murmelte er. »Ich wollte dich nicht …« Er verstummte, denn seine Großtante würdigte ihn keines Blickes mehr, sondern konzentrierte ihre Aufmerksamkeit jetzt auf Kim. »Es tut mir wirklich leid«, wiederholte er, bevor er fast fluchtartig den Raum verließ.
    Sobald die Tür hinter ihm zugefallen war, setzte Cora sich mühsam auf und fummelte an ihrer Halskette herum. »Trag das!« krächzte sie, aber es gelang ihr nicht, den Verschluß zu öffnen.
    »Soll ich dir helfen?« fragte Janet hilfsbereit.
    Cora schüttelte den Kopf. »Nein – Kimberley! Kimberley muß es tun!« Erschöpft sank ihr Kopf in die Kissen zurück, und sie regte sich nicht, als Kim den Verschluß öffnete und ihr die Kette abnahm. Das kleine goldene Kreuz vor Augen, berührte sie es noch einmal, fast so, als wollte sie es wieder an sich nehmen, aber sie ließ es sofort los. »Häng es dir um!« befahl sie und ließ das Mädchen nicht aus den Augen, bis der Auftrag ausgeführt war. Zufrieden nickend, flüsterte sie: »Es gibt noch ein zweites – in der Nachttischschublade.«
    Kim öffnete gehorsam die Schublade und fand nach kurzer Suche ein kleines goldenes Kreuz, das genauso aussah wie jenes, das Tante Cora ihr soeben geschenkt hatte. »Es ist für die Kleine«, flüsterte die Sterbende, ihren Blick auf die Stelle gerichtet, wo Jared vorhin gestanden hatte. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, so als würde sie jemanden erkennen, den weder Janet noch Kim sehen konnten, und die Anspannung wich aus ihrem müden alten Körper. »Das Kreuz wird dich beschützen«, hauchte sie mit letzter Kraft, »so wie es mich beschützt hat. Leg es niemals ab …«
    Sie breitete ihre Arme weit aus, ihre Augen leuchteten, und ein strahlendes Lächeln verklärte ihr Gesicht.
    Bevor Janet und Kim auch nur eine Bewegung machen konnten, sanken Coras Arme auf die Bettdecke, und sie schloß die Augen mit einem langen Seufzer, so als wollte sie nach einem anstrengenden Tag einschlafen.
    Es war ihr letzter Atemzug.
    Kim war sich später nie sicher, ob sie es sich nur eingebildet hatte, oder ob das Zimmer in jenem Moment tatsächlich von blendendem Licht durchflutet worden war. Wie schön, dachte sie in diesem Augenblick, wie unbeschreiblich schön …
    »Ich werde Mollys Kreuzchen aufbewahren«, sagte Janet leise, während sie mit ihrer Tochter zur Tür ging. »Wenn sie alt genug ist, geben wir es ihr und erzählen ihr, von wem sie es geschenkt bekommen hat.«
    Kim hörte kaum zu. Auf der Schwelle drehte sie sich noch einmal um.
    Der goldene Lichterglanz war verschwunden.
    Tante Cora war tot, und jetzt wirkte der Raum dunkel und kalt.
    So kalt, daß Kim erschauderte.

5. Kapitel

    »Es tut mir so leid, Mr. Conway.«
    Beatrice LeBecques mitfühlender Blick und die aufrichtig bekümmerte Stimme waren noch beredter als ihre Worte, so daß Ted sofort wußte, was geschehen war.
    Es hatte ihn nicht gewundert, daß sein Sohn – wie zuvor er selbst – von Tante Cora hinausgeworfen worden war. Mit dieser Reaktion hatte er sogar gerechnet. Überrascht war er nur darüber, daß die Sterbende überhaupt den Wunsch geäußert hatte, Jared zu sehen. Als der Junge schon nach wenigen Minuten leicht verstört in die Empfangshalle zurückkehrte, riet er ihm: »Mach dir nichts daraus! Es hat nichts mit deiner Person zu tun – nur mit der Tatsache, daß du männlichen Geschlechts bist.«
    »Aber warum hat sie deinen Onkel geheiratet, wenn sie Probleme mit Männern hatte?« wandte Jared ein, während er seinen Vater von Molly befreite, die auf Teds Schoß herumzappelte.
    »Da bin ich wirklich überfragt. Wer weiß? Vielleicht war es Onkel Georges Selbstmord, der sie Männer ablehnen ließ. Sie ist nie darüber hinweg gekommen, glaube ich.«
    Damit war ihre kurze Unterhaltung beendet gewesen. Noch leicht verkatert, blätterte Ted in einer Zeitschrift, und Jared spielte mit Molly, wobei die Spielregeln von der Kleinen festgelegt wurden. Als dann das Telefon auf dem Schreibtisch der Empfangsdame läutete, schauten alle

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