Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kind der Hölle

Kind der Hölle

Titel: Kind der Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
Vom Netzwerk:
und Janet Conway erkannte. »Ich bin froh, daß Sie kommen konnten. Ich glaube, Ihre Tante wartet sehnsüchtig auf Sie.«
    »Sie wußte doch nicht einmal…«, begann Ted.
    »Ist sie bei Bewußtsein?« fiel Janet ihm hastig ins Wort.

    »Ich glaube schon.« Beatrice LeBecque deutete auf eine Flügeltür im Hintergrund der Halle. »Ostflügel 2, die dritte Tür rechts.«
    »Können die Kinder hier warten?« fragte Janet.
    »Selbstverständlich. Aber wenn die beiden Großen ihre Tante sehen wollen, kann ich gern auf die Kleine aufpassen.« Beatrice holte einen roten Lutscher aus der mittleren Schreibtischschublade und zeigte ihn Molly. »Schau mal, was ich für dich habe!«
    Molly strampelte solange in den Armen ihrer Mutter, bis sie auf eigenen Füßen stand. Dann umrundete sie im Nu den Schreibtisch und kletterte auf den Schoß der Empfangsdame. »Wir werden bestimmt gut miteinander auskommen«, schmunzelte Beatrice. »Kinder scheinen mich zu mögen – oder, besser gesagt, meine Lutscher.«
    Während ihre Jüngste ungeduldig an der Papierhülle zerrte, wandte Janet sich an die Zwillinge. »Vielleicht solltet ihr hierbleiben, bis wir festgestellt haben, ob es Tante Cora gut genug geht, um uns alle zu sehen.«
    Sobald ihre Eltern hinter der Flügeltür verschwunden waren, schauten Kim und Jared einander an.
    Nichts war so, wie sie es sich ausgemalt hatten.
    Nicht die Stadt.
    Nicht das Sanatorium.
    Wieder hatten beide den gleichen Gedanken, und sie verständigen sich stillschweigend darauf, daß Jared die Frage aussprechen sollte.
    »Unsere Tante Cora…«, begann er unsicher. »Wir haben sie nie kennengelernt, aber wir haben gehört …« Es fiel ihm schwer, den Ausdruck über die Lippen zu bringen, den sein Vater immer verwendete. »Ist sie… ist sie wirklich verrückt?«
    Beatrice LeBecque unterbrach ihr »Hoppe, hoppe, Reiter«, und Molly schaute mit schiefgelegtem Köpfchen zu ihr auf, so als interessierte auch sie sich für die Antwort auf die Frage ihres großen Bruders.
    »Sie ist sehr alt«, murmelte die Empfangsdame, »und sie war sehr einsam. Aber ist sie verrückt?« Nach längerem Schweigen nickte sie langsam. »Ich hoffe es sehr … Um ihretwillen hoffe ich, daß sie wirklich verrückt ist.«
    Janet legte eine Hand auf Teds Arm, bevor er die Tür zum Zimmer seiner Tante öffnen konnte. Als er sich nach ihr umdrehte, fiel ihr auf, wie verkatert er immer noch aussah, viel schlimmer als gewöhnlich: ein aufgeschwemmtes Gesicht mit roter Nase und verquollenen Augen. Doch mehr als alles andere erschreckte sie seine grimmige Miene, die von mühsam beherrschtem Zorn zeugte.
    Sie hatte es bisher nie wahrhaben wollen, aber tief im Herzen wußte sie, daß dieser Groll seit langem Teds Verhalten bestimmte. Sein Frust bot ihm einen willkommenen Vorwand für die Sauferei, er machte Gott und die Welt für sein Scheitern verantwortlich, und in dem Teufelskreis von Wut und Alkoholismus hatte seine Persönlichkeit sich so verändert, daß Janet sich manchmal fragte, ob das noch der Mann war, den sie geheiratet hatte.
    In seiner Verbitterung behauptete er, kein Mensch hätte ihm jemals eine Chance gegeben: weder seine Eltern, die sich getrennt hatten, als er noch ein Baby war, noch seine diversen Arbeitgeber, und schon gar nicht seine Tante Cora, die in diesem Sanatorium lebte, solange er sich zurückerinnern konnte, und derentwegen er unter Schuldgefühlen litt. Doch das würde ja nun bald ein Ende haben.
    »Sie liegt im Sterben, Ted«, wiederholte Janet sanft und schaute ihm dabei tief in die Augen. »Ich kenne deine Gefühle ihr gegenüber, aber sie will sich doch nur von dir verabschieden.« Einen Moment lang fragte sie sich, ob er ihre Worte überhaupt gehört hatte, doch völlig unerwartet streichelte er ihre Wange mit dem Zeigefinger – eine liebevolle Geste, die sie seit Jahren entbehrt hatte.
    »He, ich weiß, daß mit mir nicht immer leicht auszukommen ist, aber deshalb bin ich noch lange kein Monster, okay?«
    »Aber gestern Abend hast du gesagt…«
    »Gestern Abend war ich betrunken, und unter den Auswirkungen hatten wir heute morgen alle zu leiden – ich völlig zu Recht, die Kinder und du unverdient.« Er rang sich ein gequältes Lächeln ab. »Ich werde nicht versuchen, alte Rechnungen mit Cora zu begleichen. Dafür dürfte es jetzt zu spät sein.«
    Die Tür öffnete sich plötzlich, und ein Priester verließ das Zimmer. Er war sehr alt, hatte ein völlig verrunzeltes Gesicht und tief gebeugte

Weitere Kostenlose Bücher