Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kind der Hölle

Kind der Hölle

Titel: Kind der Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
Vom Netzwerk:
Gedankenaustausch ihrer Geschwister sie mit einbezogen. Vielleicht hatte sie aber selbst schon ein feines Gespür für den Zustand ihres Vaters entwickelt.
    Sobald Ted die Küche betrat, sahen sich alle in ihren Befürchtungen bestätigt. Sein Gang war übertrieben vorsichtig, seine Sprechweise übertrieben langsam.
    »Warum starrt ihr mich alle an?« fragte er angriffslustig, und die Anspannung der anderen wuchs, als sie seine Stimmung bemerkten.
    Kim und Jared bemühten sich schweigend, ihren Vater nicht anzuschauen, seinem Blick aber andererseits auch nicht zu auffällig auszuweichen.
    Mollys Weinen ging in lautes Geschrei über.
    »Verdammt, muß die Göre denn jedesmal plärren, wenn ich hereinkomme«, knurrte Ted.
    Während Janet ihre Jüngste hochhob und tröstend in den Armen wiegte, mußte sie sich auf die Zunge beißen, um nicht wütend zu erwidern: Das tut sie nur, wenn du getrunken hast! Statt dessen sagte sie: »Das Abendessen wird in wenigen Minuten fertig sein.«
    »Dann kann Jared ja vorher noch den Wagen entladen, wenn das nicht zuviel verlangt ist!« Teds Sarkasmus und der aggressive Blick, mit dem er seinen Sohn bedachte, waren deutliche Warnsignale, daß er jederzeit explodieren konnte.
    »Kein Problem«, versicherte Jared und eilte hinaus, dicht gefolgt von Kim, die heilfroh war, einen Vorwand zur Flucht aus der ungemütlichen Küche zu haben.
    »Was ist denn mit der los?« brummte Ted. »Sehe ich so aus, als hätte ich irgendeine ansteckende Krankheit?«
    Janet zwang sich wieder, den Mund zu halten, doch als Jared einen großen Karton mit hochprozentigen Spirituosen anschleppte, war es um ihre Selbstbeherrschung geschehen.
    »Du hattest versprochen, nicht mehr zu trinken!« fuhr sie Ted an. Ihre Stimme bebte vor Zorn, obwohl sie hoffte, die unvermeidliche Auseinandersetzung mit ihrem Mann hinausschieben zu können, bis sie allein sein würden. Aber dafür war es schon zu spät: Teds Augen schleuderten Blitze.
    »Daß ich das Zeug mitgebracht habe, bedeutet noch lange nicht, daß ich es auch trinken werde!«
    Janet verzichtete auf eine scharfe Erwiderung. Trotzdem war Ted nicht mehr zu bremsen.
    »Ihr macht mich alle ganz krank!« schrie er. »So wie ihr euch aufführt, ist es doch kein Wunder, wenn ich mir hin und wieder ein Glas genehmige!« Er hob den Karton auf, wobei er fast das Gleichgewicht verlor, schaffte es dann aber doch, auf den Beinen zu bleiben. »Essen könnt ihr allein! Mir ist der Appetit vergangen.« Er stolperte in Richtung des großen Eßzimmers, und Jared wollte ihm folgen, aber Janet hielt ihren Sohn zurück.
    »Nein, laß ihn in Ruhe! Wir werden uns das Abendessen eben ohne ihn schmecken lassen.«
    Das gelang natürlich nicht. Janet versuchte sich zwar immer noch einzureden, daß alle nur unter der Schwüle litten, doch der wahre Grund für die beklemmende Atmosphäre war ihr genauso bewußt wie den Zwillingen.
    Irgendwo im Haus trank Ted …
    Gleich nach dem Abwasch zogen Jared und Kim sich in ihre Zimmer im ersten Stock zurück, angeblich, um Hausaufgaben zu machen und die restlichen Umzugskartons auszupacken. Als Jared sogar Molly mitnahm – »Komm, Mäuslein, wenn wir arbeiten müssen, sollst du auch nicht faulenzen!« – verstand Janet seine verschlüsselte Botschaft:
    Wir wollen nichts mit Dad zu tun haben.
    Sie blieb allein in der Küche zurück und trödelte absichtlich herum, um sich der Auseinandersetzung mit ihrem Mann noch eine Weile zu entziehen. Zugleich lauschte sie der Stimme ihrer Mutter, die ihr eindringlich riet: Verlaß ihn! Nimm die Kinder und verlaß ihn. Er ist ein Lügner, er ist ein Säufer, und welche Probleme er auch haben mag, du bist nicht schuld daran. Laß dich nicht von ihm zerstören und laß nicht zu, daß er die Kinder zerstört. Geh, bevor es zu spät sein wird!
    Sie hörte die Worte so deutlich, als würde ihre Mutter am Küchentisch sitzen, und das rüttelte sie auf. Natürlich hatte sie sich diese Ratschläge auch selbst schon hundertmal gegeben, hatte aber immer sofort Gegenargumente zur Hand gehabt.
    Sie wußte, daß sie hauptsächlich aus Angst so lange bei Ted ausgeharrt hatte: Angst, die Kinder allein aufziehen zu müssen; Angst, allein für ein Dach über dem Kopf, für Essen und Kleidung sorgen zu müssen … Doch an diesem schwülen Abend hatte sie ihre Ängste endlich überwunden. Jetzt fürchtete sie sich nur noch vor dem Hierbleiben. Von der Schwelle der offenen Hintertür aus schaute sie nach draußen: Der Himmel war

Weitere Kostenlose Bücher