Kind der Hölle
Jared zufrieden, »ist doch wirklich keine große Sache.«
»Guter Shit!« murmelte Luke nach dem vierten Zug.
Jared stand auf und zündete eine Kerze an. Dann zog er an der Schnur, die als primitiver Lichtschalter herhalten mußte. Die grelle Glühbirne erlosch, und er ließ sich wieder auf den Boden fallen, doch nicht mehr neben Luke. Er lehnte sich ihm gegenüber, an die andere Wand. »Gar nicht so ungemütlich, was?«
»Ich kann überhaupt nichts sehen!« klagte Luke, doch sobald seine Augen sich an das schwache Kerzenlicht gewöhnt hatten und der Joint erste Wirkung zeigte, schien sich der ganze Raum zu verändern. Die rohen Wandbretter bekamen einen weichen Schimmer, und die Decke schwebte in die Höhe, bis sie kaum noch zu erahnen war.
»Cool!« flüsterte Luke.
»Pssst«, zischte Jared. »Laß deinen Geist einfach schweifen!« Er hob die zweite Zigarette vom Boden auf, zündete sie an und gab sie an Luke weiter.
Das Licht im Raum begann zu flackern und sich auszudehnen. Von den Brettern war keine Spur mehr zu sehen. Die Wände schienen jetzt durchsichtig zu sein und in allen
Regenbogenfarben zu schillern. Doch dann wichen sie allmählich zurück, wie zuvor schon die Decke.
Er schien Luke, als wären sie in einer riesigen Kathedrale mit unglaublich hoher gewölbter Decke, die in Goldglanz erstrahlte. Von irgendwoher flutete helles Licht durch große bunte Glasfenster herein, deren Muster sich ständig veränderten. Und vor Luke tauchte eine Art Altar auf, über dem eine Frau in der Luft schwebte.
Noch nie im Leben hatte Luke eine so schöne Frau gesehen.
Sie bewegte sich auf ihn zu, in ein wogendes silbriges Gewand gehüllt, und als ihre Füße den Boden berührten, streckte sie die Hände nach ihm aus. Niederkniend streichelte sie mit zarten Fingern seine Wange.
»Berühre mich«, flüsterte sie mit einer Stimme, die in seinen Ohren wie Sphärenmusik klang. »Berühre mich.«
Zögernd kam Luke dieser Aufforderung der vollkommenen Frau nach. Ihr Gewand fiel herab und enthüllte ihr festes Fleisch und ihre goldene Haut. Lukes Finger berührten ihren Leib, und er erbebte.
»Ich will dich, Luke«, säuselte die Frau, »und du willst mich …«
Die Vision der Frau verdrängte alles andere aus seinem Bewußtsein, und Luke Roberts überließ sich einer nie gekannten Ekstase, die ihn – wie er wußte, für immer – verändern würde.
»Ja«, murmelte er. »O Gott, ja … ja …«
Während Luke sich mit Wonne der vollkommenen Frau hingab, schaute Jared zu.
Er schaute zu und lächelte.
OKTOBER
20. Kapitel
Sandy Engstrom warf Kim Conway einen besorgten Blick zu. In den letzten Wochen – seit jenem Tag, als Kim gefragt hatte, ob sie sich in der Cafeteria an Sandys Lieblingstisch setzen dürfe – waren die beiden Mädchen beste Freundinnen geworden. Damals hatte Sandy sich über die Kontaktaufnahme gewundert, denn am Tag zuvor hatte Kim sich fast nur mit ihrem Bruder unterhalten. Mit ihrem umwerfenden Bruder, hatte Sandy insgeheim gedacht, denn sie hatte sich auf den ersten Blick in Jared Conway verliebt, was Kim nicht wußte. Zunächst war sie nur deshalb nett zu der Neuen gewesen, weil sie gehofft hatte, auf diese Weise auch Jared besser kennenzulernen. Doch schon am Ende jenes ersten gemeinsamen Mittagessens war sie sicher gewesen, in Kim einen Ersatz für Melissa Parker gefunden zu haben, die seit Kindergartentagen ihre beste Freundin gewesen war. Doch kurz vor Beginn dieses Schuljahres war Melissa nach New Orleans umgezogen. Sandy freundete sich sehr schnell mit Kim an, und genauso schnell verflog ihre Schwärmerei für Jared, der ständig mit Luke Roberts zusammensteckte.
Sandy hegte eine starke Abneigung gegen Luke, seit dieser Melissa Parker vergangenes Jahr so übel mitgespielt hatte. Zu feige, um ihr persönlich zu sagen, daß er mit ihr Schluß machen wolle, hatte er einfach Dawn LaFrenier zum nächsten Tanzabend eingeladen, und als Melissa endlich davon erfuhr, war es zu spät für jede andere Verabredung gewesen. Weil auch Sandy keine Verabredung hatte, waren die beiden Mädchen an jenem Abend ins Kino gegangen und hatten sich geschworen, nicht nur Luke, sondern auch all seine Freunde von nun an links liegenzulassen. Und obwohl Melissa jetzt nicht mehr da war, hatte Sandy nicht die Absicht, Luke zu verzeihen.
In ihren Augen war nun auch Jared mit einem Makel behaftet, weil er ausgerechnet mit Luke herumzog, und Kim konnte sich glücklich schätzen, nicht in einen Topf mit ihrem
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