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Kind der Nacht

Kind der Nacht

Titel: Kind der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kilpatrick
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was ich brauche. Die meisten haben es so eilig, dass ich sie noch nicht einmal hypnotisieren muss. Es ist ein Geben und ein Nehmen, unter Männern geht so etwas. Frauen wollen stets mehr.«
    Bei dem Gedanken, dass er sie wenigstens.nicht mit Aids infizieren konnte, empfand Carol eine bittere Genugtuung. Wahrscheinlich hat er es sowieso schon, dachte sie verbittert, und jeden Abend steckt er jemand anderen an, genau wie Rob. Er ist ein Schwein, weil er es ihnen nicht sagt und auch keine Kondome benutzt. Doch dann fiel ihr ein, dass dies ja auch auf sie zutraf. Sie hatte nicht den Mut, jetzt noch die Rede darauf zu bringen. Solange er ihr keine direkte Frage stellte, die sie beantworten musste, hörte sie ihm nur zu.
    »Ich habe es geschafft, mich so weit unter Kontrolle zu bekommen, dass ich mir gerade so viel nehme, wie ich brauche. Das genügt mir«, erklärte er ihr, »und sie bleiben am Leben. Ein paar Eisenpräparate von ihrem Schiffsarzt, und sie sind wieder auf den Beinen. Außerdem verlassen sie die Stadt ja schon nach wenigen Tagen wieder. Schnell und schmerzlos. Immerhin sind wir hier zu viert, und wir müssen aufpassen. Vier Tote pro Nacht, das würde fast eintausendfünfhundert Morde pro Jahr allein in Bordeaux bedeuten, mehr als in Paris und London zusammen.«
    »Aber du hast schon Menschen getötet, nicht wahr?«, fragte Carol eines Abends, als sie sich besonders mutig fühlte.
    Verärgert sah er sie an. »Ich hasse es, wenn sie anfangen zu jammern. Das treibt mich in den Wahnsinn. Sie betteln um Sex, darum, dass ich ihnen wehtue oder auch nicht oder dass sie mir wehtun dürfen, und winseln um ihr Leben, als hätte es irgendeinen besonderen Wert. Ihr Sterblichen habt ja so eine hohe Meinung von euch. Dabei steht ihr für jemanden wie mich auf derselben Stufe wie ein Insekt. Man zertritt es, und damit fertig! Aber ein Gefühl empfindet man dabei nicht!«
    »Aber du und deinesgleichen, ihr ... schlaft doch mit Sterblichen.«
    »Na und!? Das ist auch nichts anderes, als wenn ihr es mit einem Pferd treibt oder mit einem Gorilla!«
    »Und warum tust du es dann?«
    Er lachte. »Weil ich pervers bin!«
    Normalerweise hörte Carol ihm einfach zu, ohne etwas zu sagen. Hin und wieder hätte sie ihm schon ganz gern eine Frage gestellt, doch sie hatte zu viel Angst, den Mund aufzumachen. Er vertrat eine in der Tat merkwürdige Weltanschauung. Doch obwohl ein derart unmenschlicher Standpunkt schierer Wahnsinn war, war die Schauspielerin in ihr von André schlichtweg fasziniert.
    Einmal hatte sie, in der Hoffnung, ihre Rolle wirklichkeitsnäher zu spielen, eine ganze Weile lang eine Obdachlose studiert, um ihre Eigenarten und ihre Art, sich auszudrücken, kennen zu lernen. Das Gleiche machte sie nun bei André. Manchmal kam er ihr vor wie ein Wesen von einem anderen Stern. Er hatte ihr vollkommen fremde Wertvorstellungen und zwang sie, die Menschen mit anderen Augen zu sehen, von einem völlig abwegigen Standpunkt aus.
    Während der langen Stunden, in denen sie tagsüber nichts zu tun hatte, ertappte Carol sich, obwohl es keinen vernünftigen Grund dafür gab, immer wieder dabei, dass sie André mit Rob verglich. Dies führte unweigerlich dazu, dass sie sich selbst eingehender auf den Prüfstand stellte, als ihr lieb war.
    Beide Männer sahen gut aus, beide waren gebildet, voller Selbstbewusstsein, finanziell gut gestellt und hatten gern die Kontrolle. Beide fühlten sich zu Männern hingezogen, wenn auch aus völlig unterschiedlichen Gründen - sofern sie André Glauben schenkte, was sie aber nicht im Sinn hatte. Und beide waren auf das Orale fixiert. Jeder der beiden war auf seine Art gefühllos. Robs emotionale Kälte hatte sie vollkommen ausgeschlossen, was sie zutiefst enttäuschte. André war eiskalt und unberechenbar. Beides schreckte sie ab. Doch die wohl schockierendste Gemeinsamkeit bestand darin, dass Carol beide nur mit dem Tod assoziierte, und zwar dem ihren, und mit einem Schicksal, dem sie nicht entrinnen konnte.
    Es gab nichts, was sie von diesen düsteren Gedanken ablenkte, und während die Tage vergingen, versank sie immer tiefer in ihrer  Depression. Warum nur hatte sie den Eindruck, sie habe ihr ganzes  Leben vergeudet? Diese innere Leere empfand sie seit ihrer Kind heit, eine unbestimmte Sehnsucht nach etwas, worauf sie nicht den  Finger zu legen vermochte. Wahrscheinlich existierte es nicht in  dieser Welt.

    In der vierzehnten Nacht erschien

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