Kind der Nacht
hob ihr Bein an und drang in sie ein. Das Gefühl, als er tief in sie glitt, raubte ihr den Atem und unterbrach ihren Gedankengang. Sanft beugte er ihr Bein und drückte es, sie ganz ausfüllend, wieder nach unten.
»Küss mich«, flüsterte sie heiser. Ihr Hals war trocken. Er griff in ihr Haar und zog sie sanft zurück, bis ihr Oberkörper flach hingestreckt auf dem Bett lag. Seine Lippen berührten ihre Lippen und seine Zunge die ihre, und während seine Finger das Verlangen ihrer angeschwollenen Klitoris stillten, befriedigte er mit tiefen Stößen auch seine eigene Begierde.
Zunächst sah Carol sich nur als ausgehungertes Tier, das zu lange gewartet hatte und nun nicht mehr genießen konnte. Doch mit einem Mal durchflutete sie ein Gefühl, und kurz bevor sie empfing, was sie schon längst vergessen glaubte, empfand sie eine unbändige Lust. Er stieß schneller und heftiger zu, und innerhalb von Sekunden kamen sie stöhnend und eng umschlungen beide gemeinsam.
Hinterher weinte Carol. Sie war weder glücklich noch unglücklich, sondern fühlte sich einfach befreit.
André breitete die Decke über sie und knipste das Licht aus. Er strich ihr sanft übers Haar und nahm sie in die Arme, als wolle er sie nie mehr loslassen. Und sie klammerte sich an ihn, als wolle sie nicht zulassen, dass er sie je wieder gehen ließ.
Sie konnte ihn immer noch in sich spüren, als sie beide der Schlaf übermannte.
27
Als Carol erwachte, wurde sie im Dunkeln von kühlen Lippen leidenschaftlich geküsst. »Ist es schon Nacht?«, fragte sie völlig benommen, während sie ihm den Arm um den Nacken schlang.
»Ja. Warum schläfst du nicht noch ein bisschen? Karl und ich gehen mit Michel in den Science Shop. Wir werden ein paar Stunden weg sein.«
»Na gut.« Sie rollte sich unter der Decke zusammen, die er wieder festzupfte. Die letzten Tage waren sehr anstrengend gewesen, und sie brauchte viel Schlaf.
Doch sobald André gegangen war, fehlte er ihr, und sie konnte nicht wieder einschlafen, also schaltete sie das Licht ein. Rasch zog sie sich an und stellte dabei fest, dass sie seit fünf Tagen dieselben Kleider trug, nämlich ihre Jeans und ein Flanellhemd. Vielleicht leiht Gerlinde mir ein paar Sachen, damit ich die hier waschen kann, dachte sie.
Lächelnd verschränkte Carol die Arme. Ein warmes Gefühl durchströmte sie, sie war voller Verlangen und hatte ihm alles verziehen. Dies könnte der Anfang von etwas Gutem sein, dachte sie. Vielleicht schaffen wir es, dass es diesmal funktioniert, ganz egal, was er ist.
Nachdem sie geduscht und sich angezogen hatte, wollte sie sich erst noch ein bisschen umsehen, ehe sie nach oben ging, um zu frühstücken. In Bordeaux war sie oft in Andrés Zimmer gewesen, und seit sie hier in Montreal war, auch jede Nacht, aber sie hatte nie wirklich mitbekommen, was er hier eigentlich verbarg. Sie wusste so wenig von ihm.
Sie schob eine der beiden Türen des Wandschranks auf. Kleiderbügel, auf denen elegante, neu aussehende Sachen hingen, füllten den Raum aus, der die ganze Länge einer Wand einnahm. Auf dem Bord darüber waren eine stattliche Anzahl an Hüten und eine Baseballmütze aufgereiht, ein Lacrosse-Schläger, mehrere Fanghandschuhe und Softbälle, ein Tennisschläger und ein Fußball. Auf dem Boden darunter füllten dutzende Paar Schuhe und Stiefel, Slipper, Sandalen, elegante Straßenschuhe und Sportschuhe ein Schuhregal. Sie schloss die Tür wieder.
Außer dem Bett gab es drei weitere große Möbelstücke. Eine etwas höhere Kommode und ein Schrank enthielten, was sie erwartete, nämlich noch mehr Kleidungsstücke, fein säuberlich zusammengelegt oder sorgfältig aufgehängt, alles sehr ordentlich. In den obersten drei Schubladen einer weiteren, kleineren Kommode befand sich eine Reihe merkwürdiger Gegenstände, unter anderem eine fleur de lis- Anstecknadel, ein Spruchband und ein Programmheft des Baseball-Endspiels von 1941, in dem die Yankees die Brooklyn Dodgers vier zu eins geschlagen hatten, Münzen aus verschiedenen Ländern, ein paar alte Orden, Ausschnitte aus uralten französischen Zeitungen mit
grobkörnigen Fotografien, die eine Sportmannschaft zeigten - sie versuchte, André darauf auszumachen, und bei einigen der Bilder hatte sie den Eindruck, dass es ihr auch gelang -, und eine verblichene Grundschulfibel, ebenfalls in französischer Sprache, auf der in einer klaren, aber kindlichen Handschrift der Name André
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