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Kind des Bösen: Psychothriller (German Edition)

Kind des Bösen: Psychothriller (German Edition)

Titel: Kind des Bösen: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Mosby
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nicht. Der Raum im Erdgeschoss war, wie der Rest des Hauses auch, leer geräumt worden. Die Fußbodendielen lagen frei, in einer Ecke zerborsten, und die Wände waren verblichen und trugen noch die Spuren von Stuck auf dem Putz. Die Umrisse des Kamins formten einen schwarzen Schlund in der hellen Wand, und der Boden davor war von Tapeten- und Holzstücken übersät, als hätte das Haus angefangen, sich selbst aufzufressen, um kurz darauf alles wieder auszuspucken.
    Während ich in der Tür stand und den Flur entlang sah, fiel mir sofort wieder ein, wo alles gestanden hatte. Die Erinnerung zauberte sämtliches Inventar an diesen leeren Ort zurück, räumte die Möbel ein und ließ Farben durch die graue Hülle hervortreten. Der Geist vergangenen Lebens huschte, kurz nur, durch die Welt. Ein Raum, durch ein Fenster betrachtet, zog wie im Zeitraffertempo vorbei.
    Ich schüttelte den Kopf und ging zurück in den Flur. Es roch nach Schimmel und Erde. An den Wänden hatten sich Feuchtigkeitsblasen gebildet, die wie Perlen erstarrt waren. Eine offen stehende Tür gab den Blick in die leerstehende Küche frei, die als solche nur durch die quadratischen Rahmen zu erkennen war, wo Schränke an den Wänden gehangen hatten. Das Tageslicht fiel hinter mir durch die offene Haustür herein, reichte aber nicht bis zum Treppenhaus, das ich hinaufblickte. Der Treppensatz oben war dunkel und auf seltsame Weise zugleich leer und angefüllt; die Stufen der Holztreppe sahen gefährlich unsicher aus.
    Vorsichtig tastete ich mich Stufe für Stufe in den ersten Stock hinauf.
    Das Fenster am Ende ließ den Flur hier oben wie einen dunklen, verwitterten Tunnel erscheinen. Vom Flur gingen Türen in verschiedene Zimmer ab. Die erste in das einstige Bad, die zweite in das Zimmer, das ich mir mit John geteilt hatte, und die dritte in das ehemalige Schlafzimmer meiner Eltern.
    Kein Herzschlag war zu spüren, anders als in meinem Traum. Aber in der Luft herrschte ein Druck, der hauptsächlich in meinem Kopf stattzufinden schien. Ich zögerte. Dann ging ich den Gang entlang zur letzten Tür.
    Genauso wie damals vor all den Jahren.

    Ich war mit meinem Bruder hinuntergegangen.
    Ich war bei ihm, als er das Jagdgewehr aus dem Schrank holte. Er hatte es selbst getragen – das stimmte –, weil er nicht wollte, dass ich meine Fingerabdrücke darauf hinterließ. Er sagte mir immer wieder, dass ich in unser dunkles Schlafzimmer zurückgehen sollte, aber ich wollte nicht, und das ärgerte ihn. Vielleicht dachte er, dass ich ihm alles kaputt machte, dass es sein Plan war, ein Plan, den er allein ausführen sollte, und nun rannte ich ihm wie ein ebenbürtiger Partner ständig hinterher. Ohne ein Wort zu sagen, denn ich hasste unseren Vater, und ich wollte, dass er es tat.
    Und ja, ich folgte ihm in das Schlafzimmer unserer Eltern.
    Die Tür quietschte leicht, ohne dass es sie geweckt hätte. Unser Vater schnarchte leise. Er lag auf dem Rücken und hatte einen fleischigen Arm um den Kopf geschlungen. Trotz der Dunkelheit wusste ich, dass sein Mund schlaff weit offen stand. Unsere Mutter lag zusammengerollt auf der Seite. Sie hatte ihm den Rücken zugewandt und die Beine angezogen, als wollte sie möglichst weit von ihm entfernt sein.
    Es ging ganz schnell. Ich glaube, John hatte Angst, die Sache nicht durchziehen zu können, wenn er erst einmal zu zögern begann, oder vielleicht auch, dass unser Vater uns bemerken und aufwachen würde. Wenn das passiert wäre, hätte John es vermutlich nicht getan. Unser Vater hätte ihm das Gewehr weggenommen, und Gott weiß, was dann passiert wäre.
    John hob die Waffe unbeholfen an und schaffte es irgendwie, sie auf das Gesicht unseres Vaters zu richten. Er hielt inne, minutenlang, wie es mir vorkam.
    Mach schon, flüsterte ich.
    Mach schon, John.
    Dann drückte er ab. Augenblicklich verwandelte sich der Raum in ein Chaos aus Lärm, Rauch und Beben. Der Rückschlag riss den Gewehrlauf senkrecht in die Höhe und schleuderte meinen Bruder mit großer Wucht nach hinten. Unter uns waren das Gesicht und der Kopf meines Vaters durch ein Nichts ersetzt worden. Der Rest von ihm schien sich nicht zu rühren. Er war auf der Stelle tot. Sein Arm war dort geblieben, wo er war. Unsere Mutter schreckte mit einem Schrei hoch und fiel fast aus dem Bett. Ihr nackter Rücken war von Blutspritzern übersät.
    Das ist alles, woran ich mich wirklich erinnere. Ich war wieder zurück in meinem Zimmer, allein, als die Polizei

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