Kind des Bösen: Psychothriller (German Edition)
wenn er echt ist …?«
»Wenn er echt ist, dann ergibt der Inhalt immer noch keinen Sinn. Er behauptet, den Brief vor dem ersten Mord geschrieben zu haben. Vielleicht hat er ihn sogar vorher ausgedruckt und meinen Namen dann handschriftlich hinzugefügt. Ich kann mir das nicht erklären.«
»Dann versuchen Sie es, Hicks.«
»Vielleicht geht es ihm nur darum, die … Zufälligkeit herauszustellen. Eine Art Kampfansage vielleicht? Fast liest es sich so, als wollte er uns testen. Vielleicht will er, dass wir gleich von Anfang an Bescheid wissen, dass wir wissen, dass er es geplant hatte, lange bevor er anfing, die Leute umzubringen.«
»Und dass er tatsächlich nicht weiß, wer sein erstes Opfer ist.« Young rieb sich das Kinn, während er überlegte.
Laura beugte sich vor. »Sollte es wirklich so sein, dann würde ich sagen, die Angelegenheit ist ausgesprochen besorgniserregend. Dann spricht alles dafür, dass er weitermacht. Zwar ist noch nicht klar, was er vorhat, aber er scheint fest davon überzeugt zu sein, dass wir ihn nicht kriegen.«
» Und deshalb wird es funktionieren.« Young nickte. »Ein Code, den nicht einmal Sie zu knacken imstande sind. Aber warum?«
Er sah mich wieder an.
»Ich kann mir keinen Reim darauf machen«, sagte ich. »Vermutlich schwadroniert er nur herum, dass wir ihn nicht erwischen, um uns herauszufordern, ihn aufzuhalten. Ich habe das Gefühl, dass es ihm gar nicht so sehr um die Morde geht. Der Brief liest sich, als spielten die nur eine untergeordnete Rolle.«
»Stimmt. Ein gewisses Maß an Überheblichkeit schwingt dabei mit.« Youngs Blick haftete immer noch an mir. »Verstehen Sie, was das bedeutet, Hicks?«
»Ja, Sir. Danke.«
»Das dachte ich mir. Vergessen Sie den Brief für den Augenblick. Gibt es Hinweise darauf, wie er seine Opfer aussucht?«
»Im Augenblick«, führte ich aus, »sieht es eher so aus, als würden sie ihn auswählen. Er taucht irgendwo an einem entlegenen Ort auf und wartet. Bisher haben wir nicht eine einzige Verbindung zwischen den Opfern herstellen können. Oder zu den Tatorten. Bisher jedenfalls. Das Ganze riecht nach …«
»Zufall.« Young nickte vor sich hin und seufzte schwer. Aus Erfahrung wusste ich, dass seine Schlussbemerkung unmittelbar bevorstand. Tatsächlich legte er Sekunden später die Hände flach auf den Tisch. »Außer dem Brief haben wir also nichts. Richtig? Dann warten wir ab, was uns die kriminaltechnische Untersuchung bringt. Bis dahin bleibt die Angelegenheit unter uns. Kein Wort an die Presse.«
»Ja, Sir.«
»Eins noch. Wie geht es Ihnen damit, Hicks?«
»Wie bitte?«
»Ich will wissen, ob alles in Ordnung ist. Bei dem ganzen Wirbel.«
Ich sah ihn eine Sekunde lang an und begriff, was er meinte. Wenn der Brief von dem Mörder stammte, hatte er ihn an mich persönlich adressiert. Und das wiederum bedeutete, dass er meinen Namen kannte. Vielleicht wollte er auf diese Weise direkt mit mir in Kontakt treten.
»Mir geht’s gut, Sir. Aber trotzdem vielen Dank, dass Sie sich Sorgen um mich machen.«
»Ich mache mir nicht unbedingt Sorgen um Sie. Aber passen Sie auf sich auf. Sollte er es aus irgendeinem Grund auf Sie abgesehen haben, dann ist nicht auszuschließen, dass er sich auch auf einem anderen Weg mit Ihnen in Verbindung setzt. Halten Sie die Augen offen. Mehr wollte ich nicht sagen.«
»Mach ich, Sir. Und fürs Protokoll: Ich bin glücklich, den Köder spielen zu dürfen.«
»Das sind wir alle. Sie können jetzt gehen.«
Draußen warteten Laura und ich auf den Aufzug.
»Er hat recht«, sagte sie. »Ist wirklich alles in Ordnung mit dir?«
Ich hatte das Gefühl, dass noch etwas anderes in dieser Frage mitschwang. Weil du in der letzten Zeit so seltsam warst, Hicks. Als würden dich die Ermittlungen in diesem Fall zu stark belasten.
Dabei hatte mich der Brief kurioserweise sogar ein wenig geerdet. Es ergab zwar im Augenblick alles keinen Sinn, aber wenn er echt war, lieferte der Brief zumindest ein Indiz dafür, dass der Typ ein Motiv hatte. Tief unten vielleicht, im Keller sozusagen, und – so schräg es auch sein mochte, war es doch immerhin ein Motiv. Ich spürte, dass irgendetwas schemenhaft Gestalt annahm.
Und sollte er es auf ein intellektuelles Spiel anlegen, würde er verlieren. Nicht weil ich, sondern weil wir alle zusammen schlauer waren als er. Er musste an zu viele Dinge denken, und ein Fehler genügte. Genau wie Mr. Streetview würde er es am Ende vermasseln. Vielleicht hatte er es ja schon
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