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Kind des Bösen: Psychothriller (German Edition)

Kind des Bösen: Psychothriller (German Edition)

Titel: Kind des Bösen: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Mosby
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verbockt, so dass wir nur noch herausfinden mussten, was es war.
    Ein Code, den nicht einmal Sie zu knacken imstande sind.
    Ja, genau. Das werden wir noch sehen.
    »Mir geht es gut«, sagte ich.
    »Sicher?«
    »Ich hab alles im Griff.« Ein Klingelton kündigte die Ankunft des Aufzugs an. »Ich leg jetzt los.«
    16
    S ie ist wunderschön«, sagt der Mann.
    »Danke«, entgegnet Lewtschenko.
    Der Name des Mannes ist Enwright, und er hat es gerade noch rechtzeitig zum Laden geschafft, um seine Bestellung abzuholen. Jasmina, Lewtschenkos Frau, stand an der Tür und wollte gerade abschließen, als er atemlos angerannt kam und an die Scheibe klopfte. Es ist halb sechs. Enwright hat sich beeilt, um auf keinen Fall zu spät zu kommen – ein Geschäftsmann, auf dem Weg nach Hause, dessen feiner grauer Anzug zur Arbeit taugt, nicht aber zum Rennen. Lewtschenko bemerkt die Schweißperlen an seinem Haaransatz, als er sich über den Tresen beugt und in die Schachtel späht.
    »Wunderschön.«
    »Ich freue mich, dass sie Ihnen gefällt.«
    In der Schachtel befindet sich die Kerze, die er angefertigt hat, mit dieser den Regeln des Zufalls unterworfenen Anordnung zarter, entfalteter Blüten, so einzigartig wie die Wolken am Himmel. Geborgen steht sie in dem Behältnis, umgeben von aufgebauschtem Seidenpapier.
    »Ich habe sie so gut wie möglich eingepackt«, sagt Lewtschenko, »aber sie ist natürlich sehr empfindlich. Sie müssen sie vorsichtig tragen.«
    »Selbstverständlich. Machen Sie sich keine Sorgen.«
    Lewtschenko bezweifelt, dass er seinem Rat folgt. Trotzdem ist es ihm immer wichtig, seinen Kunden diese besonderen Kerzen auch zu zeigen, bevor sie den Laden verlassen. Auf diese Weise vermeidet er Beschwerden oder unangenehme Überraschungen, wenn die Kunden zu Hause entdecken, dass das Kunstwerk unterwegs Schaden genommen hat.
    Tatsächlich sind diese Kerzen überaus empfindlich, und nicht zuletzt das macht ihren Reiz aus. Schöpfungen eines kurzen Moments, und Momente sind vergänglich. Alles auf der Welt ist die Summe ungezählter unsichtbarer Abläufe. Würde nur einer davon fehlen, wäre das Ergebnis ein völlig anderes. Diese Kerze in einem anderen Augenblick, in anderen Wasserwirbeln gegossen, wäre nicht diese Kerze – die Kerze, so, wie sie ist, lässt sich kein zweites Mal herstellen. In Wachs gegossen, so wie die Augenblicke des Lebens selbst.
    Das ist einer der Gründe, weshalb Lewtschenko trotz seiner tiefen Verbundenheit mit dem Glauben bestimmte Arten vermeintlich niederen Aberglaubens nie eilfertig abgetan hat. I-Ging zum Beispiel versteht und schätzt er sehr. Das Herauslesen von Botschaften aus einer zufälligen Anordnung dahingeworfener Schafgarbenstengel mag auf den ersten Blick verrückt erscheinen. Aber ebendiese Gesamtheit ist, wie die seiner Kerzen auch, allein dem Augenblick ihrer Entstehung vorbehalten. Unter anderen Umständen, zu einem anderen Zeitpunkt, in einer anderen Luftströmung führten die Stengel zu einem vollkommen anderen Ergebnis. Das Muster ist einzigartig, wie jede der Kerzen, die er hervorbringt, auch.
    Ein großer Teil seiner Kunden denkt darüber vermutlich gar nicht nach, auch wenn er weiß, dass manche es tatsächlich tun, aber von ihrer Zartheit fühlen sich alle in den Bann gezogen. Die Kerzen lassen sich nicht überall verkaufen, nicht in Massen herstellen und nach Übersee verschiffen. Nein, Lewtschenko bietet sie nur in der näheren Umgebung an, nur auf Bestellung und immer von Hand, so wie diese. Zynischerweise weiß er, dass es einen Markt für Authentisches gibt, und wenn Enwright meint, dies nicht würdigen zu müssen, als würde er etwas kaufen, dem der Stempel von Bedürftigkeit aufgedrückt worden ist, dann nimmt ihm das Lewtschenko nicht weiter übel, ganz abgesehen davon, dass ihn das sowieso nichts angeht.
    »Ich werde es meinen Freunden sagen.« Enwright zieht Geldscheine aus einem dicken Bündel, das er sich in die ausgebeulte Tasche seiner Hose gestopft hatte. »Ich kann Ihnen bestimmt neue Kunden verschaffen.«
    Lewtschenko nickt kurz. »Danke.«
    Er sieht Jasmina an, die sich hinten im Laden darangemacht hat, die Auslagen zu putzen, ihm aber trotzdem ein kurzes, geheimnisvolles Lächeln zuwirft, das er gleich erwidert. Trotz ihrer fünfzig Jahre und all des Leids, das sie durchgemacht haben, gehen sie immer noch verspielt miteinander um. Sie sind dem Zufall überlassen, und sie sind glücklich. Und, ja, sie sind arm, und deshalb macht er sich nichts aus

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