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Kind des Bösen: Psychothriller (German Edition)

Kind des Bösen: Psychothriller (German Edition)

Titel: Kind des Bösen: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Mosby
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Kopf. Sein Vater brachte niemals jemanden geradewegs um, was nicht bedeutete, dass kein Blut an seinen Händen klebte: Blut, zentimeterdick, das sich nicht abwischen ließ, selbst wenn der Mann es gewollt hätte – was natürlich nie so war. Der Vater des Generals hatte seine Geschichten geliebt. Und er hatte sie viel zu oft erzählt, als dass der scheinbar leidenschaftslose Klang seiner Stimme hätte verbergen können, wie viel sie ihm bedeuteten.
    Eine Geschichte wird er nie vergessen.
    Sein Vater hat sie ihm mit alkoholverwaschener Stimme immer erzählt, wenn sie nach dem Essen noch am Tisch saßen, seine Mutter den Abwasch machte, die Töpfe laut im Spülbecken klapperten und sie so tat, als würde sie nichts hören. Es ging um die Fabrik in Bremen, die im Krieg bombardiert worden war. Es war die Tat seines Vaters. Ohne mich, erzählte der Mann seinem begeisterten Sohn, hätte der Krieg leicht eine andere Wendung nehmen können. Weniger erfolgreich ausgehen können.
    Denn sein Vater war Codeknacker. Noch heute, im Ruhestand und etwas langsamer, konnte er jede Zahlenreihe knacken, die sein Sohn ihm vorlegte. Und vor Jahren hatte er den Code von Übermittlungen geknackt, die sich als Standort der pharmazeutischen Fabrik bei Bremen herausstellten. Ohne ihn hätten sie die Bomben nicht so punktgenau abwerfen können, die die Fabrik und das Dorf daneben in Schutt und Asche legten.
    Ich habe es mir auf dem Film angesehen,  hatte sein Vater immer gesagt. Eine Menge Menschen erzählen dir, dass sie Gesichter im Rauch gesehen haben, aber da waren keine. Körperteile vielleicht, aber sonst nichts. So ist der Mensch, weißt du. Er sucht nach Mustern. Aber es war nur Rauch.
    Schon damals, als Junge, war der General alt genug, die Bedeutung zu begreifen, die der Angriff später erlangt hatte: nämlich dass er unter Historikern sehr umstritten war. Hatte es dort wirklich biologische Waffen gegeben? Natürlich, behauptete unser Land. Natürlich nicht, sagte der Feind: Es habe sich um eine Arzneimittelfabrik gehandelt, und aufgrund ihrer Zerstörung starben Tausende, viele davon Kinder. Wie immer die Wahrheit auch lautete, keine der Parteien konnte bestreiten, dass das Dorf bei dem Bombenangriff zerstört wurde. Ohne Zweifel war unschuldiges Leben bei dem Angriff ausgelöscht worden. Menschen hatten sich in Rauch aufgelöst, viele von ihnen Zivilisten.
    Jetzt springt die Ampel vor ihm auf Rot. Er bleibt stehen und zieht die Handbremse an.
    Als die Ampel auf Grün schaltet, fährt er weiter.
    Kollateralschaden, hatte sein Vater das immer genannt und dabei ein Glas Whisky zum Mund geführt. Weißt du, was das bedeutet?
    Ja.
    Es bedeutet, dass es nicht anders ging. Schön ist es nicht, Zivilisten zu töten, aber es musste sein. Ihr Leben gegen unseres. Alles zum Nutzen der Allgemeinheit.
    Dann fragte ihn der General immer: Warum haben wir Krieg geführt, Dad?
    Darauf zuckte sein Vater oft nur mit den Schultern, grunzte etwas in die Neige seines Whiskyglases, gab aber immer dieselbe Antwort.
    Wer weiß.
    Während er sich mit dem Verkehrsstrom treiben lässt – alle Ampeln zeigen Grün –, fällt dem General diese Antwort wieder ein. Als Junge war er immer von ihrer Zweideutigkeit, ihrer Selbstverständlichkeit fasziniert. Sie klang wie die Antwort eines Soldaten. Jetzt, als Erwachsener, erkennt er eine Wahrheit hinter diesen Worten. Auf beiden Seiten wird es eine Menge guter und vermutlich auch eine Menge unsinniger Gründe für den Krieg gegeben haben. Diese zu entwirren ist unmöglich und zwecklos. Das Leben geht weiter in einem undurchschaubaren Wechselspiel von Ursache und Wirkung, ungerührt von Enthüllungen.
    Warum ist das alles passiert?
    Wir haben es für Rohstoffe gemacht, für Land, um uns zu schützen. Und so weiter. Es gibt Millionen von Antworten. Die Wahrheit aber ist, dass sie niemals Erklärungen darstellen, sondern immer nur Rechtfertigungen.
    Hinter diesen Worten verbarg sich, was sein Vater wirklich meinte. Was nützte einem Kind, das in dem Dorf bei Bremen getötet wurde – während es womöglich nach oben sah und über sich einen Punkt am blassblauen Himmel ausmachte, vielleicht sogar die Stille des herannahenden Todes spürte –, eine Rechtfertigung, eine Erklärung oder ein Grund?
    33
    T ony Wilkinson saß uns im Vernehmungsraum gegenüber auf demselben Platz, auf dem Billy Martin gestern bei dem Gespräch gesessen hatte. Nur die Atmosphäre war eine ganz andere.
    Ich kann mich nicht erinnern, jemals

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