Kind des Glücks
ungeschulten Augen wie eine vollkommene Nachbildung der klassischen Eihonjin-Mode vorkam – glatte Wände und eine weiß tapezierte Decke, die mit hellbraunen Latten unterteilt wurde, der Boden mit Strohmatten bedeckt, schwarz und rot lackierte niedrige Tische, gepolsterte Kissen mit Rückenlehnen und überall freistehende Raumteiler, die umgestellt werden konnten, um Gruppen jeder Größe beim Speisen abzuschirmen.
Su Jon Donovas Vivarium bot einen starken Kontrast zu dem barocken Bombast, den Maria Magda Chan in der Unicorn Garden aufgeboten hatte, und entsprach viel eher meinem Geschmack.
Unter der Kuppel über dem Grand Palais erstreckte sich ein schlichtes, silbernes Meer aus flachen Wüstendünen in alle Richtungen zum Horizont, wo es mit einer kreisförmigen, schimmernden Fata Morgana verschmolz. Darüber beleuchtete eine surrealistisch strahlende Sternenlandschaft, wie man sie von einem Planeten im Zentrum der Galaxis sehen mochte, die Nacht, die sonst tiefschwarz gewesen wäre. Die Leuchtkraft der Sterne wurde verstärkt durch einen goldenen Dreiviertelmond, der ewig im Zenith stand, so daß der unheimliche Effekt einer Mitternacht entstand, die heller war als der Tag.
Der Boden des Vivariums war von kleinen Dünen aus richtigem Sand umgeben, die nahtlos aus der Hololandschaft aufstiegen, um die Gartenoase zu umschließen – eine weite Wiesenfläche mit hohen grünen Palmen, knorrigen Sukkulenten und gewaltigen Kakteen. Im Zentrum der Oase war naturellement ein klarer Teich, um den Baldachine mit Polstern und Lagerfeuern in Messingschalen aufgebaut waren.
Alles in allem schien dieses Vivarium sowohl eine geschickte Darstellung der Realität, durch die sich das Sprungschiff bewegte, als auch eine Flucht aus derselben zu sein. Denn trug nicht die Mistral Falcon tatsächlich unsere Karawane durch eine Sternennacht in der Wüste – unsere kleine Oase, in der wir lebten, durch den weiten und tödlichen Raum?
Im Grand Salon war Wasser das vorherrschende Motiv, ein pikanter Kontrast zum Vivarium darüber.
Von hinten mit feinem Aquamarin, Rosa, Umbra und Preußischblau beleuchtete Kaskaden schäumten Wände aus schwarzem Felsen, weißem Marmor, grob behauenem Quarz herab und umgaben den Grand Salon mit gleichmäßig rauschenden Wasserfällen. An der Decke hing ein gewaltiger, mit Wasser gefüllter Lüster, der im Innern golden lohte – ein seltsam umgekehrter Springbrunnen –, dessen Spritzer und Fontänen, wider alle Physik von Schwerkrafterzeugern kontrolliert, vom Zentrum nach unten sprudelten, um am Außenrand wieder aufzusteigen, so daß ein zauberhafter, filigraner Baldachin aus Wasser entstand.
Wie Su Jon Donova – wenigstens was meinen Geschmack anging – ganz richtig unterstellt hatte, befriedigte ein solcher flüssiger Zauber den Hunger nach Wundern, so daß der Grand Salon mit recht gewöhnlichen Möbeln eingerichtet war; wenn es auch Möbel waren, die dem Haus eines Paschas oder Magnaten keine Schande gemacht hätten: unzählige Sofas, Lehnsessel und Stühle, sämtlich kräftig gebaut und gemütlich, mit abstrakt gemustertem Holz und gepolstert mit Samt, Leder und Tierfellen oder zumindest Nachbildungen der letzteren. Vor jedem Wasserfall standen Messingkamine, die den mythischen Verkörperungen der vier Windrichtungen nachgebildet waren, und diese waren die einzigen echten Belege für barocke Extravaganz.
Wendi hatte mich für mein Debüt mit einem einfach geschnittenen, schwarzen, enganliegenden Kleid zurechtgemacht, das mit aufgestickten Blumenmotiven aus bunten, von winzigen Lampen beleuchteten Juwelen geschmückt war. »Ein Gewand für unsere Dame der Bloomenkinder!« hatte sie erklärt, als sie mich darin sah. Sie selbst trug eine durchsichtige Creation aus vielschichtigen Schleiern aus Dutzenden von Pastelltönen, die bei jeder Bewegung hochtrieben und sich drehten, so daß sie in eine Wolke gehüllt schien, die von einem Sonnenuntergang beleuchtet wurde. Ihren gegenteiligen Aufforderungen zum Trotz hatte ich mir das Vielfarbige Tuch als Turban um den Kopf gelegt, denn ich war entschlossen, eine zarte Andeutung meiner Identität zu wahren – schließlich gehörte ich niemand außer mir selbst.
Auf diese Weise bekleidet und selbstbewußt im Wissen, daß ich nicht ausgefallener gewandet war als die meisten anderen Geehrten Passagiere, die sich, als wir eintraten, bereits im Grand Salon drängten, machte ich unter der Führung und dem Schutz meiner Mentorin eine Vorstellungsrunde.
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