Kind des Glücks
ein Reich, das meinem Status nicht entsprach.
Naturellement lag, wie es für alle außer die höchsten und niedrigsten unserer Art gilt, die Wahrheit im weiten, widersprüchlichen Zwischenbereich.
Wenn ich bisher noch nicht erwähnt habe, welche Ziele die Mistral Falcon ansteuern würde – nun, damals achtete ich kaum auf derlei Dinge, denn die Tatsache, daß das Schiff nach Winthrope, Novi Mir, Flor del Cielo, Lebenswelt und so weiter fliegen würde, besaß für mich nicht die geringste Konsequenz; ich hatte nicht die Absicht, auf einer dieser Welten zu verweilen, und ebensowenig hatte ich ein letztes Ziel im Sinn, ausgenommen natürlich die im Augenblick unbekannte Welt, auf der Pater Pan schließlich zu finden wäre.
So hatte ich, ganz im Gegensatz zu meiner Reise von Edoku nach Belshazaar, die Mistral Falcon bereits im psychischen Zustand einer Bürgerin der Kosmokultur betreten, was heißen soll, als Reisende, für die die Reise selbst und kein irgendwie greifbares Ziel der Sinn der Sache war.
Und in der Tat achtete ich wegen dieser karmisch bedingten Fusion mit der Weltanschauung der Kosmokultur kaum auf die Dinge, die außerhalb des Universums des Grand Palais geschahen, und vraiment, wie es sich herausstellte, geschah auch der erste Sprung völlig ohne mein Wissen, denn in diesem Augenblick lernte ich gerade die Matrix kennen, in mehr als einer Hinsicht den raison d’être meiner Anwesenheit auf der Mistral Falcon.
Für ein so gewaltiges Werk war das Äußere der Matrix recht alltäglich – sogar täuschend archaisch. Eine Ecke der Schiffsbibliothek war einer ziemlich klobigen, etwa drei Meter langen und zwei Meter hohen Konsole vorbehalten, die ausgerüstet war mit einem Bildschirm, einem Holoprojektor, einem Wortkristallkopierer, einem kleinen Drucker, einem Mikrophon, einem Lautsprecher und sogar einer breiten Tastatur, mit der man von Hand Buchstaben und Zahlen eingeben konnte. Das ganze Ding sah aus wie ein alter Computer aus einem Holocine, der im Raumzeitalter spielte. Oder als hätte sich ein Bildhauer die Aufgabe gestellt, die ganze Geschichte der Datenspeicherungstechnologie unserer Art in einem einzigen Werk darzustellen.
Kein Wunder, daß ich so ein Ding nie auf der Unicorn Garden bemerkt hatte, denn zum einen hatte ich die Bibliothek nicht eben häufig besucht, und zum anderen hätte ich ohne zu wissen, welche Wunder des Wissens hier gespeichert waren, das Ding zweifellos für eine Art Skulptur gehalten, kaum mehr als ein Gegenstand, der den Raum schmücken sollte.
Willa Embri Janos war bereits dort, als Wendi und ich eintraten. Sie war eine etwas gesetzte Frau mit hellem Haar, die mir bei der Abflugfeier als bekannte Datenfinderin vorgestellt worden war – also eine Schülerin der nicht gerade leicht zu erlernenden Kunst, die Matrix dazu zu bringen, auszuspucken, was gewünscht wurde – eine recht komplizierte Angelegenheit, wie ich erfahren sollte.
»Wie ich bereits sagte, suchen wir den letzten bekannten Aufenthaltsort eines Mannes namens Pater Pan«, erklärte Wendi ihr.
Willa nickte und sprach den Namen in die Matrix. Sofort begann eine endlose Prozession von Worten und Zahlen über den Bildschirm zu rollen. »Löschen«, befahl Willa, und der Schirm wurde dunkel. »Wie erwartet gibt es keinen Haupteintrag, doch eine Überfülle von kleineren Querverweisen unter allen möglichen Rubriken und bibliographische Notizen, die sich auf einige obskure Bücher beziehen, die nicht in der Matrix sind. Wir brauchen so viele Bezüge wie möglich, damit ich einen Algorithmus konstruieren kann, der aus Sekundär- und Tertiärquellen extrahiert, was wir brauchen.«
Sie wandte sich an mich. »Bitte, muchacha, fangen Sie an…«
»Womit soll ich anfangen?« fragte ich verwirrt. »Ich fürchte, daß ich kein Wort von alledem verstanden habe…«
Darauf riß Willa Embri Janos die Augen auf und schüttelte etwas vorwurfsvoll den Kopf. »Wir müssen eine Liste von möglichen Querverweisen auf diesen Pater Pan entwickeln – Orte, Namen, Aktivitäten and so on. Nur Eigennamen, por favor, sonst werde ich unter unsortierten Daten begraben. Ins Mikrophon bitte…«
»Gypsy Joker… Kind des Glücks…Flötenspieler…?« begann ich unsicher. »Ist das richtig?«
Willa nickte. »Genau so«, sagte sie. »Aber vermeiden Sie bitte so schreckliche Verallgemeinerungen wie ›Kind des Glücks‹, sonst werden wir von einem Tsunami von Bezügen verschüttet…«
Ich fuhr achselzuckend mit diesem
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