Kind des Glücks
nötig durch wissenschaftlich präzise und zutreffende Begriffe zu ersetzen, so daß der Eintrag für jeden denkbaren Menschen, der ihn abrief – auch noch Jahrhunderte später –, verständlich und einleuchtend war.
Als ich protestierte, daß mir eine solche Prozedur vorkam wie der sichere Tod der Kunst, lachte sie nur.
»Wirklich, als Autorin von Romanen kann ich wie niemand sonst deine Klage nachfühlen, Liebes«, erklärte sie. »Aber wir haben die Aufgabe, eine Matrixeingabe zu produzieren, nicht den Roman, den du schöpfen magst, wenn dich der Geist dazu bewegt, und mit dem du zweifellos zu Ruhm und Geld kommen wirst. Soweit es um den Schmerz geht, Kunst auf trockenen Lehrstoff zu reduzieren, wird das letzte Stadium noch schmerzlicher werden, denn wir müssen jedes Wort und jede Silbe mit kaltem und erbarmungslosem Herzen durchgehen. Denn während Willa Embri Janos eine Philisterin ist, wenn es um literarischen Stil geht, weiß sie, wovon sie spricht, wenn es um die letzte Zusammenfassung geht, die der Matrix erst das gibt, was sie braucht.«
Sie tätschelte mein Knie. »Ich hoffe, wir werden nach dem Abschluß dieser unerfreulichen Aufgabe immer noch Freunde sein«, sagte sie.
»Wir werden immer Freunde sein, Wendi, komme was da wolle!« erklärte ich mit offenem Herzen.
Wendi lachte wieder. »Sag das noch einmal, wenn wir in einem tödlichen Kampf um jedes Wort deiner kostbaren Prosa stecken, Liebes!« sagte sie.
»Du wirst feststellen, daß die von uns, die die Kosmokultur mit ihrer Gegenwart ehren – und nicht etwa anders herum –, an deiner einzigartigen Geschichte interessiert sind«, erklärte Wendi mir Sotto voce, als wir den Speisesaal betraten. »Es ist ein guter Eintritt in ernsthafte Kreise, ma petite, aber glaube nicht, daß du damit der Mittelpunkt des Universums bist.«
Die innere Weisheit dieser Warnung entging mir zu jener Zeit völlig, doch als das Bankett vorbei war, hatte ich diese Lektion gut begriffen.
Am Tisch, den Wendi zusammengestellt hatte, saßen sechs weitere Gäste: Raumkapitän Dana Gluck Sara; Willa Embri Janos; Lazaro Melinda Kuhn und Dalta Evan Evangeline, die ich bereits kannte; Timothy Ben Bella, Psychopharmakologe und Yogischüler; und Linda Yee Lech, die zu den kundigsten Wissenschaftlern der evolutionären Psychosomatik auf allen Menschenwelten zählte.
Es war eine gewichtige und gelehrte Gesellschaft, und eine, die Wendi offenbar um mein junges Selbst gruppiert hatte. Dieses Wissen verunsicherte mich etwas, denn einerseits kamen mir die endlosen Befragungen im Clear Light in den Sinn, und andererseits machte ich mir einige Sorgen, ob ich fähig wäre, bei diesen hochgestochenen Tischgesprächen mitzuhalten.
Glücklicherweise sollte ich bald herausfinden, daß die Manieren dieser Ehrengäste völlig anders waren als die der Wissenschaftler in der Nervenklinik. Der erste Gang, der uns aufgetragen wurde, bestand aus crêpe de fruits de mer in dicker Safransoße, dazu wurde ein süßer Weißwein gereicht. Danach kam ein scharf gewürztes Gemüseconsomme mit winzigen Stücken eingelegtem Fisch und einem starken, nach Anis schmeckenden Wodka. Dann gab es geräucherte schwarze Pilze, die mit duftendem Hack gefüllt waren und zu einem knochentrockenen roten Wein gegessen wurden.
Während dieses Vorspiels stellte Wendi mich den Geehrten Passagieren vor, die ich noch nicht kennengelernt hatte, und das Tischgespräch drehte sich um die Kunst unseres chef maestro, Escoffier Tai Bondi. Was mich anging, so nutzte ich die Gelegenheit, wenig zu sagen und eine ganze Menge zu schlucken, und als dann die Kalbsfilets à la Bordelaise serviert wurden – garniert mit gebratenen Maisnudeln und serviert mit einem Wein, der so tiefrot war, daß er fast schwarz schien –, hatten sich meine Befürchtungen völlig in Luft aufgelöst, meine Zunge funktionierte wie geschmiert, und ich war mehr als bereit, auf Wendis Aufforderung meine Erzählung darzubieten.
Während der nächsten zwanzig Minuten schlug ich dieses Publikum aus Wissenschaftlern und gelehrten Geistern mit einer ziemlich ausgefallenen Version der Geschichte der Flötenspielerin des Bloomenveldts in Bann; die Version war jener recht ähnlich, die ich in den Straßen von Ciudad Pallas entwickelt hatte, wenn auch etwas bereichert durch die edlen Weine, die ich getrunken hatte.
Ich glaube mich zu erinnern, daß während der Erzählung ein Barbecue aus verschiedenen Gemüsesorten und ein wunderbar gewürzter Weißwein
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