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Kind des Grals

Kind des Grals

Titel: Kind des Grals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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Mutter.
    Traurig blickten sie auf sein Spiegelbild, aber als er den Kopf wandte, war keiner von ihnen bei ihm.
    Bei der Bestie, die er geworden war, obwohl -
    Ich habe alles getan, um mich zu exorzieren! dachte Chiyoda. Ich habe nie verwunden, was aus mir geworden ist. Das Gewicht der Schuld, die ich auf mich geladen habe, hat mich mein ganzes Leben lang verfolgt. Letztlich half es mir, das Monster in mir zu unterdrücken ...
    Er stockte. Belog er sich nicht schon wieder?
    Das Spiegelbild zeigte die Bestie, die er überwunden zu haben meinte. Aber letztlich hatte sie nur geschlafen, ihn in Sicherheit gewiegt, und war schließlich wieder aus ihm hervorgebrochen! Und nicht nur aus ihm - aus allen, die waren wie er!
    Zitternd hob Chiyoda die Pranken, ballte sie zu Fäusten und preßte sie gegen die Schläfen des Wolfsschädels. Er war sicher, den Verstand verloren zu haben.
    Kung-futse - dein treuer Schüler fleht dich an: Hilf mir!
    Doch der Philosoph Konfuzius, der vor zweieinhalbtausend Jahren gelebt und dessen Weisheit sich Chiyoda zu eigen gemacht hatte, um die Kraft zu schöpfen, die seine Geißel ihm abverlangt hatte, blieb, was er immer gewesen war: ein abstraktes Sinnbild. Zu abstrakt, um ihm in dieser Situation Beistand leisten zu können.
    Chiyodas Fäuste rutschten über die wölfische Physiognomie, öffneten sich, um die Fratze zu bedecken, zu begraben ...
    Da bemerkte er aus dem Augenwinkel eine Bewegung und fuhr herum.
    Auf der Lehne eines grobgezimmerten Holzstuhls saß ein mächtiger schwarzer Vogel! Ein Adler, dessen Schnabel sich öffnete und die Worte entließ: »Verzweifle nicht! Ich bin da, um dir zu helfen.
    Gemeinsam wird es uns gelingen, den Teufelskreis, in dem du gefangen bist, zu durchbrechen. Aber du mußt es selbst wollen!«
    Chiyoda riß die Hände vom Gesicht weg - so schnell, daß er sich mit den langen Krallen selbst eine blutende Scharte zufügte.
    »Wer bist du? Ein Adler, der sprechen kann?« Er lachte irre.
    »Ich bin dein Freund. Und andere Freunde sind bei mir. Sie unterstützen mich. Sie sind entsetzt über das, was Gewalt über dich erlangt hat .«
    Chiyoda versuchte sich aufrecht hinzustellen. Kerzengerade und beherrscht. Aber das Zittern wollte nicht aufhören; im Gegenteil, es steigerte sich.
    »Einer wie ich hat keine Freunde! Ich habe Vater und Mutter getötet - und unzählige danach.«
    »Bis du dich entschieden hast, dem, was dich dazu zwang, Widerstand zu leisten«, erinnerte ihn der Adler mit ruhiger Stimme an et-was, was er tatsächlich vergessen hatte.
    »Ich bin ... gescheitert. Ich habe wieder getötet! Nach so langer Zeit wieder -«
    »Denke nicht daran. Auch das warst nicht du. Sieh in den Spiegel. Dort siehst du dich. Dort siehst du, was du wieder sein kannst, wenn du es willst - mit aller Kraft!«
    »Ich habe es gesehen. Und das will ich nicht sein!«
    »Ein guter Anfang ... Sieh hin!«
    Obwohl sich alles in ihm sträubte, schaute Chiyoda noch einmal in den Spiegel. Aber diesmal blickte ihm kein Werwolf entgegen, sondern ein weißhaariger Greis, in dessen Augen eine Güte leuchtete, die unfähig war, irgendeinem Geschöpf ein Leid zuzufügen ...
    »DAS BIST DU!«
    »Nein .«
    »DOCH!«
    »Vielleicht war ich es .« Chiyoda wollte den Blick senken, aber das Bild ließ ihn nicht los. Das Bild, das ihn zeigte, wie er sein wollte.
    Hilflos schluchzend sank er auf die Knie. »Was habe ich getan ...?« Er starrte auf seine blutigen Pranken und wünschte, es wären unbefleckte Hände.
    Der Adler sagte: »Du kennst einen Weg, dem Wolf in dir zu entkommen. Du kennst einen Ort, wo er keine Macht über dich hat!«
    »Wo?«
    »Daran mußt du dich selbst erinnern. Denn nur du hast den Schlüssel zu diesen Welten. In eine von ihnen hatte ich mich verirrt, als ich gegen ein ähnliches Scheusal kämpfte .«
    Chiyoda blinzelte verstört. Der Adler war verschwunden. Wie auch das Haus, in dem er geboren worden und aufgewachsen war. Plötzlich befand er sich in einer Scheune - vor zwei alten Männern, die ihn ernst, aber nicht feindselig betrachteten. Angehörige fremder, ferner Kulturen. Und doch .
    . Freunde?
    Der Werwolf brüllte auf, als hätte ihn eine Lanze durchbohrt.
    Wie Schuppen fiel es ihm von den Augen. In einer stummen Bilderfolge jagten noch einmal die Stationen seines Lebens an ihm vorbei. Erst rasend schnell und zum Ende hin langsamer werdend.
    Als er sich nach vorn warf, auf die beiden Männer zu, schloß einer von ihnen die Augen, ergab sich in sein Schicksal,

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