[kinder] Allein unter Superhelden
Ewigkeit, bis er mich erkennt. Als echter Maulwurf wäre Paul längst verhungert. Bis er sich einen Wurm näher anschaut, hat der schon einen Tunnel nach Australien gegraben und ist weg.
Paul fällt mir um den Hals wie seine Mutter. Liegt wohl in der Familie. Allerdings schluchzt er nicht wie sie, sondern atmet total hektisch. Ich hoffe, dass er nicht so weiß davon wird wie schon mal in Sport. Unser Lehrer hat geschworen,dass er Paul nie wieder die Sprossenwand hochjagen wird, wenn er sich nur wieder beruhigt, aber Paul ist trotzdem ohnmächtig geworden und musste ins Krankenhaus gebracht werden.
Das kann ich gerade gar nicht gebrauchen.
Aber ich kann Paul verstehen. Den ganzen Nachmittag mit Dennis spielen zu müssen, ist echt kein Vergnügen. Diesmal nicke ich wissend. Paul fällt mir gleich wieder um den Hals.
»Jetzt ist es vorbei«, sage ich und kriege sogar so eine eintönig beruhigende Hypnose-Stimme hin: Alles wird gut, ganz bestimmt, ja, ja.
»He, übrigens holt deine Mutter uns gerade Kekse! Super, was?!«
»Kekse?« Paul wischt sich übers Gesicht und rückt seine Brille zurecht. Nicht, dass das viel bringen würde. Er schaut starr an mir vorbei und spricht mit seinem Nachttisch. »Darfst du das überhaupt, mein Freund? In deiner Situation?«
Ich verstehe wieder nur Bahnhof. Paul schnieft. Seine Mutter reagiert total panisch, sobald er das macht, und zählt alle Keime auf, die er wahrscheinlich draußen abbekommen hat. Total hysterisch eben, und dann ...
Oh, oh.
Ich verstehe langsam, was sie bei unserem Telefonat gedacht haben muss.
Schande.
Aber eigentlich voll nett von Paul, dass er sofort geglaubt hat, ich wäre sterbenskrank.
Ein echter Freund eben.
»Es geht schon wieder aufwärts«, sage ich.
Pauls Augen werden noch größer, als sie mit den dicken Gläsern sowieso schon sind. Mann, der hat seiner Mutter das echt abgenommen. In Ordnung, sie ist vermutlich auch ein Spezialfall.
Aber ich habe mir gar keine Mühe gegeben, das zu spielen.
Was, wenn ich die Nummer ernsthafter aufziehe? Dann müsste ich auch andere Leute überzeugen können, oder?
Papa Ray und IceMadam zum Beispiel.
Klar will ich nicht, dass die beiden sich aus Sorge um mich ins Kostüm machen! Aber ich kann sie mir schlecht vorstellen, wie sie in ihre Kissen heulen wie Paul gerade.
Und Laura wäre wahrscheinlich erst traurig, wenn ich ganz überraschend wieder gesund werden würde.
Außerdem wäre es für einen guten Zweck! Mama und Papa wollen sicher nicht, dass ihrem Sohn etwas zustößt, nur weil er todesmutig in die Schule gegangen ist, obwohl dort alle darauf warten, ihn fertigzumachen, oder?
»Ich habe eine Idee«, sage ich. Und dann denken Paul und ich gemeinsam nach.
Läuse und Bauchschmerzen
»Läuse?!«
Plopp! , verzieht sich Laura ans andere Ende des Frühstückstischs und ich gebe Pauls Idee einen extra Pluspunkt.
IceMadam schaut mich skeptisch an und ich kratze mich noch mehr.
»Wir sollten kein Risiko eingehen.« Papa Ray wittert eine neue Mission. Ich frage mich allerdings, warum seine Augen laserrot aufleuchten? »Wenn die Haare erst ab sind, erledigt sich das von selbst.«
Hilfe! Unsere Garage liegt in zwei Teile zersägt im Hof, der große Apfelbaum welkt vor sich hin und der Rest des Gartens sieht aus, als hätte einer von Papas Feinden eine Atombombe darin gezündet. Und jetzt will er sich an meinen Haaren vergreifen?! Papa kommen echt die beknacktesten Ideen, wenn er es eilig hat.
Die Läuse kann ich abhaken, ganz schnell. Ich lege mir eine Hand auf den Bauch. »War nur ein Witz. Aber schlecht ist mir. Die ganze Nacht schon.«
»Wo ist denn der Pudding?«, fragt Laura vom Kühlschrank.
Ray und IceMadam schauen mich an.
He, die glauben doch nicht, dass mir von Pudding schlecht geworden ist?! Das geht nämlich gar nicht! Weil ich noch wachse. Erst wenn man älter wird, stellt sich im Körper etwas um und man mag plötzlich so abartige Sachen wie Vollkornbrot und Karotten. In meinem Alter zieht man aber alle wichtigen Nährstoffe aus Keksen und Schokolade.
»Paul!« Als bester Freund würde er sofort den Kopf für mich hinhalten, wenn er hier wäre. Bestimmt. »Ich wollte ihn stoppen, aber er war zu schnell. Der kann echt nicht genug kriegen.«
Mama habe ich damit auf meiner Seite. »Dann mache ich dir eine neue Schüssel, wenn du wieder gesund bist, Hasi. Und mit Paul rede ich ein ernstes Wort. Aber was ist mit heute? Soll ich zu Hause bleiben?«
»Bloß ni... bloß keine Umstände«,
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