Kinder der Apokalypse
Schüssen und das Stöhnen der Gefangenen erklingen überall. »Michael« , flüstert er.
Vielleicht kann man ihm noch helfen. Vielleicht kann er noch gerettet werden.
Aber als Logan ihn erreicht, ist Michael bereits tot.
* **
Danach fühlt es sich so an, als hätte er alles verloren. Unfähig zu gehen, kniet er viel länger neben Michaels Leiche, als ratsam wäre. Schließlich hört er Schüsse in der Ferne und reißt sich genügend zusammen, um zu erkennen, dass er fliehen muss. Dann fallen ihm die hilflosen Gefangenen ein, die immer noch in den Käfigen sitzen. Er benutzt die Eisenstange, zerbricht die Ketten, reißt die Türen auf und sieht zu, wie die Gefangenen fliehen. Als die letzten verschwunden sind, wirft er sich Michaels Leiche über die Schulter, greift nach seiner und Michaels Waffe und geht müde durch den wogenden Rauch und an den Leichen vorbei in die Nacht hinaus.
Er findet Grayling draußen. Ein anderer stützt sich Halt suchend auf Grayling, gemeinsam arbeiten die beiden sich zu dem einzigen Lastwagen vor, der noch intakt ist. Grayling sieht ihn, sieht, wen er trägt, und bleibt stehen. Als Logan nahe genug kommt, fragt der andere Mann ihn, wohin er geht. Weg, antwortet er. Es ist vorbei. Und er geht weiter, während der andere ihm hinterherruft: Viel Glück.
Er findet den Lightning unter dem Bäumen, wo Michael ihn zurückgelassen hat. Michael fährt ihn immer bei diesen Überfällen, bei den Angriffen und zurück, seinen eigenen persönlichen Transporter. Manchmal hat er Logan mitfahren lassen – öfter, seit Fresh gestorben ist. Ein- oder zweimal hat er Logan sogar gesagt, der Lightning werde eines Tages ihm gehören. Dieser Tag ist offenbar gekommen. Logan kennt die Codes, die die Schlösser bedienen und das Sicherheitssystem entschärfen, und er nutzt dieses Wissen jetzt. Dann legt er Michael hinten in den Wagen und fährt los.
Als er weit genug mitten im Nichts ist, so weit draußen, dass er nicht sicher weiß, wo er sich befindet, parkt er, nimmt eine Schaufel, gräbt ein Grab, das tief und weit genug ist, und legt Michael hinein. Nachdem er ihn zugedeckt hat, bleibt er am Grab sitzen und versucht nachzudenken.
War es wirklich notwendig, Michael zu töten? Er stellt sich diese Frage wieder und wieder. Er quält sich mit der Möglichkeit, dass es eine andere Chance gegeben hätte, eine, die er nur hätte zu finden brauchen, einen Weg, der den einzigen Menschen, der ihm etwas bedeutete, am Leben erhalten hätte. Aber es war so schnell gegangen, und er war so sicher gewesen. Wenn er Michael nicht umgebracht hätte, hätte Michael ihn umgebracht. Michael hatte den Verstand verloren, er hatte die Mauer überwunden und war in die Wildnis gegangen und würde nicht mehr zurückkehren. Er hatte aus Gründen den Verstand verloren, die Logan nur erahnen konnte, und nichts, was er in dieser Nacht tat – und wahrscheinlich in vielen Nächten zuvor getan hatte –, war noch vernünftig gewesen.
Logan hätte alles darangesetzt, Michael zu retten. Alles. Aber er hat nicht schnell genug gehandelt, und nun ist Michael tot. Logan weint, als er daran denkt. Es ist so ungerecht und falsch. Michael hat so viel für andere getan, für all diese Männer, Frauen und Kinder, die in den Lagern zu einer Hölle verdammt waren, zu lebenslanger Sklaverei und Schlimmerem. Nur Michael versuchte, etwas zu unternehmen, um ihnen zu helfen, um ihnen eine Chance zum Überleben zu geben. Jemand hätte im Gegenzug etwas für ihn tun sollen.
Nein, nicht jemand, verbessert er sich schnell. Er selbst. Er hätte etwas für Michael tun sollen. Aber er hatte es nicht getan. Hatte nicht gewusst was. Hatte nicht gewusst wie. Und nun ist es zu spät.
Als das Morgenlicht in einer dünnen bleifarbenen Linie an einem Himmel aufgeht, der so wolkig ist, dass es sich anfühlt, als drückte er sich gegen die Erde wie die letzte Verdammnis, ist er gezwungen, sich seiner Zukunft zu stellen. Da Michael tot ist und seine Anhänger tot oder verstreut sind, weiß Logan nicht wohin. Er weiß nicht einmal, was er jetzt tun soll. Michaels Arbeit fortsetzen? Die Sklavenlager anzugreifen scheint eine endlose Aufgabe zu sein und am Ende keinen Unterschied zu machen. Ein einzelner Mann genügt dazu ohnehin nicht. Ein Mann allein genügt nicht, um etwas in dieser Welt zu erreichen.
Also wandert er wochenlang umher, fährt ziellos durch die Gegend, bis schließlich die Herrin erscheint, um ihm zu sagen, was seine Bestimmung ist.
* **
Die
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