Kinder der Apokalypse
schaltete den Motor ab, wartete darauf, dass es ruhig wurde und lauschte. Nichts. Sie ging mitten auf die Straße und wieder zurück, tat das mehrmals, ließ sich auf alle viere nieder, um an dem gerissenen Asphalt zu riechen, an den Gruppen von Büschen am Straßenrand, und in der Zwielichtluft zu wittern. Auch dort nichts. Die Ritterin des Wortes musste irgendwo abgebogen sein.
Sie brauchte einen Moment, um darüber nachzudenken, was das bedeutete. Die Verfolgte hatte entweder ihr Ziel erreicht oder entdeckt, dass sie verfolgt wurde, und entsprechend gehandelt, um ihr auszuweichen. Delloreen nahm Letzteres an. Der Gedanke machte sie wütend, und sie ballte die Hände so fest, dass sich die Klauen in die schuppige Haut ihrer Innenflächen bohrten. Sie ging zum Fahrzeug und wendete es mit einem wütenden Ruck an den Handgriffen, und in einem Aufspritzen von Kies und Staub fuhr sie zurück.
Sie brauchte nicht lange, um den Feldweg zu finden, den die Ritterin des Wortes genommen hatte und der schon vor zehn Kilometern abgezweigt war. Man konnte die Spuren des Geländefahrzeugs im Dreck deutlich erkennen. Ein rauer, schmaler Weg, der wahrscheinlich nirgendwohin führte, was nur ihren Verdacht bestätigte, dass die andere jetzt wusste, dass sie verfolgt wurde. Delloreen hatte keine Ahnung, wie sie es herausgefunden hatte. Niemand sollte im Stande sein zu erkennen, dass er von ihr gejagt wurde, bis es zu spät war. Besonders kein Mensch, Ritterin des Wortes oder nicht.
Vor Zorn knurrend lenkte sie den großen Harley Crawler auf den Feldweg und schoss weiter, mied die Baumstämme und Strünke und hielt sich fern von den schmalen Korridoren, die ihre Feindin benutzte, um die Verfolgerin aufzuhalten. Aber dazu würde es mehr als ein paar Bäume brauchen. Dummes Mädchen, zu glauben, dass der Wald sie verbergen konnte. Wenn überhaupt, war hier besser zu erkennen, wo sie vorbeigekommen war. Und der Mond stand hoch, und sein Schein leuchtete hell, was Delloreen mit ihren dämonisch verstärkten Sinnen ermöglichte, die Spur leicht zu finden.
Aber dann wurde es so dunkel, dass sie trotz ihrer Entschlossenheit gezwungen war, im Kriechtempo zu fahren, um die Spuren der anderen Maschine im weichen Boden nicht zu übersehen. Die Bäume standen nun dichter, so dicht, dass es immer schwieriger wurde, einen Weg für die Harley zwischen ihnen hindurch zu finden. Schließlich stellte sie fest, dass sie so weit vom Weg abgewichen war, dass sie mit dem Fahrzeug jetzt länger brauchte, um wieder zur Spur zurückzugelangen, als wenn sie zu Fuß gegangen wäre. Aber sie drängte weiter und wollte sich nicht aufhalten lassen.
Es war gegen Mitternacht, als sie aufgab. Sie hatte einen Bach erreicht und war ihm beinahe einen Kilometer weit gefolgt, bis sie die Spur der Ritterin wiederfand, und ihre Geduld war erschöpft. Sie schaltete den Harley Crawler aus, stieg ab und starrte ins Dunkel. Es war klar, was sie nun tun musste. Sie konnte die Nacht über ruhen, anhalten und sehen, ob das Fahrzeug bei Tageslicht besser vorankam, wenn sie den Weg besser erkennen und leichteres Gelände finden konnte. Oder sie konnte ihr Gefährt stehen lassen und zu Fuß weitergehen.
Sie konnte die Frau wie ein Tier jagen.
Sie lächelte bei dem Gedanken, bei der plötzlichen Erregung, die er verursachte, und ihre Zähne blitzten auf. Vielleicht kam sie damit sogar besser zurecht. Sie war inzwischen überwiegend selbst ein Tier und konnte auf allen vieren ihre Beute wittern, die Spuren erkennen. Sie war schlank und schnell und viel stärker als das Geschöpf, das sie verfolgte. Brauchte sie ein Geländefahrzeug, um andere einzuholen? Eigentlich nicht, dachte sie, eigentlich gar nicht.
Sie zog ihre Kleidung aus und stand nackt im Mondlicht, Schuppen und Klauen und Muskeln. Vor Begeisterung hätte sie am liebsten aufgeheult wie ein Wolf. Aber nein, noch nicht. Nicht, solange sie nicht nahe genug war, um die Frau wissen zu lassen, dass sie kam. Nicht, solange ihr das Geräusch nicht sagen würde, dass es kein Entkommen gab.
Sie streckte sich und strich sich übers Haar. Dann ließ sie sich auf alle viere nieder und begann zu laufen.
* **
»Angel! Wach auf!«
Die Worte kamen aus einem Nebel von Schlaf und Traum, vage und körperlos. Sie versuchte, sie zu begreifen, und versagte. Ihr Bewusstsein erwachte für einen Moment und begann dann wieder wegzudriften.
»Angel, bitte! Du musst aufwachen!«
Die Stimme eines Kindes. Eines kleinen Mädchens. Diesmal
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