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Kinder der Apokalypse

Kinder der Apokalypse

Titel: Kinder der Apokalypse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Brooks
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schien auch sein Interesse an den Menschen allmählich nachzulassen. Er fing an, sie dieser Tage anders zu sehen. Sie waren mehr eine Ablenkung als eine Gelegenheit. Es gab nur so viele Wege, sie zu erforschen, sie zu zwingen, sich zu zeigen: Früher oder später waren sie einfach nicht mehr wichtig.
    Er hatte sogar sein Buch der Namen beiseitegeschoben, das er in all den Jahren so sorgfältig geführt und in dem er alle notiert hatte, die er getötet oder bei deren Tod er eine Rolle gespielt hatte. Irgendwann vor nicht allzu langer Zeit hatte er einfach das Interesse an diesem Archiv verloren. Die Toten zählten für ihn nicht mehr. So wenig, wie die Lebenden zählten. Er war an dem Punkt angelangt, an dem die Experimente ihn nicht mehr reizten, an dem er sie aufgab und einfach nur noch tötete.
    Er warf einen Blick auf die Einst-Menschen, die die Lagertore angriffen. Die Schreie der Verwundeten und Sterbenden waren nichts als weißes Rauschen im Hintergrund seiner Gedanken, und er war sich ihrer kaum bewusst. Ihm war gleich, was im Lager geschah, oder in einem anderen Lager, das er zerstört hatte. Die Armee, die ihm folgte, war ihm egal, so wie ihm auch die anderen Dämonen egal waren, die ihm folgten. Sie glaubten, dass er der Auserwählte der Leere war, derjenige, dem alle gehorchen mussten, um nicht zu scheitern. Er tat nichts, um solche Gedanken zu entmutigen, obwohl er wirklich nicht wusste, ob die Leere ihn auserwählt hatte oder nicht. Er wusste, dass das, was er gesehen hatte, zur großen Vision passte, die die Leere von der Welt hatte. Solange seine Anstrengungen weiterhin erfolgreich waren, brauchte er nicht darüber nachzudenken, dass jemand ihn herausfordern würde.
    Was nicht bedeutete, dass es keine Verrückten gab, die ihn auf der Stelle umbringen würden, wenn sie eine Möglichkeit dazu fanden.
    Eine unter ihnen, diejenige, die er für die Gefährlichste hielt, erschien nun an seiner Seite, eine hoch aufragende Präsenz, die ihn sofort von allem anderen ablenkte.
    »Versunken in deine Erinnerungen an die Toten, alter Mann?«, fragte der weibliche Dämon leise, und sie beugte sich dabei näher an ihn heran, damit nur er ihre Worte hören konnte.
    Alter Mann. Niemand sonst hätte gewagt, ihn so zu nennen. Aber sie war furchtlos – oder einfach nur verrückt, je nachdem, wem man glaubte. Was immer sie sein mochte, sie war die Einzige unter denen, die er anführte, auf die er genau aufpassen musste.
    »Hast du sie schon gefunden, Delloreen?«, fragte er, ohne sich dazu herabzulassen, sie anzusehen.
    Wenn er hingeschaut hätte, hätte er direkt auf ihre Brust gestarrt. Delloreen war mehr als zwei Meter zehn groß, eine der größten Frauen, Dämon oder Mensch, die er je gesehen hatte. Sie hatte breite Schultern, eine schmale Taille und war so stark wie ein Bulle. Es gab kein Fett an Delloreen, keinen Zoll, der nicht Muskelmasse gewesen wäre. Er hatte gesehen, wie sie ein Ende eines Autos hochhob, um es aus dem Weg zu schieben wie ein Spielzeug. Er hatte gesehen, wie sie einen Mann in Stücke riss. Niemand legte sich mit Delloreen an, nicht einmal Klee, und der fürchtete nichts.
    Wenn er von ihrer Brust zu ihrem Gesicht geschaut hätte, hätte er Züge gesehen, die aalglatt und beinahe völlig abgeschliffen waren, Augen in der Farbe von Farn, stacheliges blondes Haar und Schuppenflechten an Hals und Kinn. Die waren in den letzten Jahren aufgetaucht, kleine Stellen, die sich ausbreiteten und rau wurden, als befände sie sich in einer biologischen Veränderung, auf dem Weg, eine eigene Spezies zu begründen.
    Sie war nun beinahe ein Dutzend Jahre bei ihm, seine rechte Hand, die dafür sorgte, dass seine Wünsche ausgeführt wurden. Sie allein war stark genug, das zu tun, was sie gleichzeitig nützlich und gefährlich machte. Zu Anfang hatte er sie nicht so recht als Gefahr betrachtet: Delloreen wollte nicht haben, was er hatte. Führung interessierte sie nicht. Führung hatte einen Beigeschmack von Verantwortung, und Delloreen war zu unabhängig, um sich etwas so Einschränkendes zu wünschen. Sie wollte nicht, dass sich andere auf sie verließen, sie handelte allein. Der alte Mann verstand das. Er ließ ihr die Freiheit, die sie wollte, gab ihr genügend Zeit, ihre besonderen Dämonenbedürfnisse zu befriedigen, und verlangte im Gegenzug, dass sie ihm Rückendeckung gab. Es war ein Übereinkommen, das bis jetzt gut funktioniert hatte.
    In letzter Zeit war sie jedoch zunehmend ruhelos geworden, und er

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