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Kinder der Dunkelheit

Kinder der Dunkelheit

Titel: Kinder der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Ketterl
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hätte Andrea am liebsten umarmt, verkniff sich das aber dann doch. Sie verdrückte sich nach oben, nachdem sie sich überschwänglich bedankt hatte, und befolgte den Rat des Di eners. Eine schöne Dusche klang jetzt doch sehr verlockend.
    Sie stand lange unter dem heißen Wasserstrahl und genoss es, zu spüren, wie sich ihre verkrampften Muskeln wieder entspannten. Das war verflixt knapp gewesen! Ihr Leichtsinn hatte sie gehörig in Gefahr gebracht. Noch immer konnte sie es nicht glauben, dass es der berühmt-berüchtigte Stefano gewesen sein sollte, der ihr dort, in diesem dunklen Hinterhof, in letzter Sekunde die Haut gerettet hatte. Doch alles passte: Sein Erscheinungsbild, das man ihr beschrieben hatte, seine dunkle Aura, die mit einer geradezu unglaublichen Intensität Gefahr signalisiert – es musste der „verlorene Sohn“ gewesen sein. Ehrlich gesagt, war sie für ihren Teil – zumindest in jenem Augenblick – sehr froh gewesen, ihn zu sehen. Wie das im täglichen Leben gewesen wäre, darüber wollte sie lieber nicht nachdenken. Wohin er wohl gewollt hatte und warum er so überraschend in Venedig aufgetaucht war? Sie stellte die Dusche noch ein wenig wärmer und beschloss, das jetzt nicht ihr Problem sein zu lassen.
    Dass das nicht so ganz den Tatsachen entsprach, wurde ihr klar, als sie fast eine Stunde später wieder nach unten trottete, um nachzusehen, ob Angel schon zurückgekommen war. Ihr graute vor der Begegnung mit ihm, denn es war zu bezweifeln, ob seine Sanftmut auch dann noch die Oberhand behielt, wenn er Gefahr lief, von Luca gevierteilt zu werden. Kaum auf der untersten Treppenstufe angekommen, eilte Marcello herbei.
    „Sigñora Sabine, ich wollte sie nur vorwarnen ...“
    „Oh nein, ist Angel so wütend?“ Sabine vergaß vor Schreck glatt ihre gute Erziehung und fiel ihm ins Wort.
    Marcello verneinte und winkte beruhigend ab. „Nein, nein, Sigñore Angel ist noch gar nicht wieder zurück. Er streift noch etwas durch die Stadt. Ich wollte Sie nur darüber in Kenntnis setzen, dass wir einen neuen Gast im Hause haben.“ Marcello machte eine ausladende Armbewegung und gab ihr den Weg in den Salon frei.
    Sabine schluckte. Sie musste nicht erst fragen, wer der Gast wohl war. Das Gesicht des Dieners sprach Bände. Da sie wusste, dass es eine geradezu unerhörte Unhöflichkeit gewesen wäre, nun wieder nach oben zu verschwinden, denn sicherlich hatte er sie bereits gehört, nahm sie all ihren Mut zusammen und betrat das große Wohnzimmer. Im Kamin prasselte ein großes, kräftiges Feuer und statt des Kronleuchters flackerten zahlreiche Kerzen im ganzen Raum. Zuerst sah sie ihn gar nicht, bis mit einem leisen Lachen seine Stimme aus dem großen Lehnsessel vor dem Kamin ertönte.
    „Nun komm schon herein, hätte ich dich auffressen wollen, dann wäre das vorhin eine perfekte Gelegenheit gewesen.“
    Allein der Klang seiner Stimme schaffte es, dass sie sich fühlte wie ein kleines Mädchen. Es war peinlich und dumm zugleich: Ausgerechnet sie, eine erwachsene und selbstbewusste Frau, stand jetzt mit in den Taschen der Jeans versenkten Händen völlig verschreckt mitten im Zimmer! Sabine erspähte nur sein langes linkes Bein, das lässig über der Sessellehne baumelte – den Gefallen, aufzustehen und sie zu begrüßen, tat er ihr nicht. Also setzte sie zögerlich einen Fuß vor den anderen, ging auf den Kamin zu und umrundete den Sessel.
    Stefano lag mehr, als dass er saß, in dem riesigen Möbelstück und trotzdem sah er noch immer unglaublich groß und beeindr uckend aus. Ohne seinen Ledermantel konnte sie ihn zumindest endlich genauer ansehen. Das schwarze, lange Hemd hing halb offen über der engen, ebenso schwarzen Stoffhose, die in kniehohen Lederstiefeln steckte. Zumindest im Kleidungsstil standen er und Raffaele sich in nichts nach, auch wenn Stefano eindeutig Schwarz bevorzugte. Zu ihrem Erstaunen hielt er eine offene Flasche Jack Daniels in der Hand. Von Gläsern hielt Stefano wohl nicht so viel. Da er keine Anstalten machte, sich ihr vorzustellen, sondern sie nur mit einem leicht spöttischen Lächeln von oben bis unten musterte, fasste sie sich ein Herz und tat den ersten Schritt.
    „Hallo, ich bin Sabine. Danke, dass Sie mir vorhin geholfen haben, ich war ziemlich in der Klemme.“
    „Hey, zuerst lässt du jetzt das Sie weg, ich bin nicht so der Etikette-Freak. Meine innere Stimme sagt mir, dass du sowieso weißt, wer ich bin, oder?“
    „Ja, Sie, ähm du“, verbesserte Sabine

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