Kinder der Dunkelheit
kann fühlen, dass etwas geschehen ist, und wenn ich Raffaeles Ausdruck richtig deute, dann geht es ihm ähnlich.“ Daher kann ich dich nur mit allem Respekt bitten, meinem Rat zu folgen.“
Abdallah winkte ab. „Schon gut, Luca, du musst dich nicht rechtfertigen. Mir ist durchaus bewusst, dass du nur aus Sorge um uns so handelst. Natürlich kommen wir mit.“
„Gut, sehr gut!“ Luca war erleichtert, es lag ihm fern, den Fürsten unter Druck zu setzen, doch die ganze Situation stank zum Himmel. Das Gefühl, dass jemand, der ihm nah war, in großer Gefahr schwebte, ließ sich nicht ignorieren. Er konnte von Glück sagen, dass Abdallah ihm seit Jahrhunderten blind vertraute.
Aus dem Augenwinkel sah er Janan im Durchgang zum näch sten Raum stehen. Sie spürte ganz offensichtlich seine Nervosität und wusste, dass sie nie unbegründet war. Sie hatte vor so kurzer Zeit erst ihren geliebten Sohn verloren, wenn nun auch noch ihrer Tochter etwas zustoßen sollte, wäre dies vermutlich ihr Todesurteil. So weit wollte Luca es aber keinesfalls kommen lassen, die Frau, die ihm nach seiner Wandlung zur zweiten Mutter geworden war, durfte nicht noch mehr Schmerz erleiden.
„Janan, meine Liebe, würdest du bitte die Diener anweisen, s ofort das Allernötigste zusammenzupacken und in dreißig Minuten fertig zur Abfahrt zu sein?“ Ihr Nicken genügte ihm, vor allem, da sie umgehend selbst beim Packen half.
Während Saif mithalf, das Gepäck in den Fahrzeugen zu ve rstauen, liefen Luca und Raffaele noch einmal in das Büro von Abdallah. Doch sämtliche Leitungen waren nach wie vor tot. Eilig packte Luca ein paar Geräte ein. Auf Raffaeles fragenden Blick antwortete er nur, dass er keine Ahnung habe, wann er wieder vernünftiges Equipment in die Finger bekommen würde. Eine Argumentation, die angesichts der Tatsache, dass ausgerechnet Abdallah sich nie um Hightech Gedanken gemacht hatte, durchaus schlüssig war. Nicht mit den anderen in Europa, Russland, Asien oder den USA kommunizieren zu können, kam im Augenblick einer Katastrophe gleich. Alexandre hatte sein erstes Angriffsziel gut und mit Bedacht gewählt, das musste man ihm leider lassen.
Eine halbe Stunde später saßen alle Bewohner der Wüstenres idenz in den Fahrzeugen. Luca öffnete gemeinsam mit zwei Wächtern das große Tor, das glücklicherweise nicht so schwer beschädigt worden war, als dass es sich nicht mehr hätte bewegen lassen. Schon für den nächsten Tag würde der Fürst einen Handwerkertrupp senden, der alles wieder auf Vordermann bringen sollte. Während die Autos langsam an ihm vorbeifuhren und vor dem Tor anhielten, warf Luca einen traurigen Blick auf das schöne Anwesen. Einen Augenblick lang fühlte er sich um vierhundert Jahre zurückversetzt und sah sich selbst mit Habib in dem Hof, der wirklich ein Garten Eden gewesen war. Hier hatten sie ihre ersten Fechtkämpfe ausgetragen. Alle Wagen hatten das Tor passiert, er schüttelte die Erinnerung wehmütig ab und sprang dann in den vordersten Geländewagen. Kurz darauf setzte sich die Kolonne in Bewegung. Um auf die Piste zu gelangen, passierten sie das ausgebrannte Fahrzeug von Alexandres Männern. Luca und Saif verließen die Autos nur kurz, um sich ein Bild zu machen. Vier Tote lagen um das Wrack herum, sie waren teils bis zur Unkenntlichkeit verbrannt: starke große Männer in militärischen Outfits. Luca fragte sich, ob die Menschen auch nur annähernd ahnten, worauf sie sich bei dem Unterfangen eingelassen hatten. Er wagte, dies zu bezweifeln. Was seine Wut viel mehr anfachte, war der ausgesaugte und offenbar achtlos wie eine kaputte Puppe entsorgte Körper einer toten jungen Frau. Luca drehte ihren Kopf zur Seite und sah ihr in die gebrochenen Augen. Auch wenn sie tot war, konnte man in ihrem Blick noch immer den Schmerz lesen, den sie vor ihrem Ableben verspürt haben musste. Er knirschte mit den Zähnen.
Saif räusperte sich dezent. „Du kannst ihr nicht mehr helfen, aber wenn wir uns jetzt ein bisschen beeilen, können wir wah rscheinlich vielen anderen helfen. Also los, so schade es um die Frau auch sein mag, aber tot ist leider tot.“ In seiner unnachahmlichen Art hatte Saif wie immer den Nagel auf den Kopf getroffen.
Luca wollte aber die Frau nicht einfach hier vermodern lassen. Behutsam legte er sie auf ihre rechte Seite und zog ihr den bunten Schleier, den sie getragen hatte, über den Kopf. Schon stand Raffaele neben ihm und reichte ihm einen Kanister mit Benzin, während
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