Kinder der Dunkelheit
Samira liebevoll über das zerzauste Haar.
„Viel besser! Du hast mir gerade wahrscheinlich das Leben g erettet, ist dir das klar?“ Dankbar drückte Samira die Hand der neuen Freundin.
„Nicht der Rede wert, das war das Mindeste, das ich tun kon nte. Was ist los?“ Sabine sah, wie Audrey und Luisa aufmerksam lauschten.
Luisa bedeutete ihr, zurück zu ihrem Bett zu gehen. „Ich höre sie kommen, wahrscheinlich ist wieder Vampirfrauenfütterung. Wundere dich bitte über nichts. Auch nicht darüber, dass wir anschließend sofort abtauchen, der Mistkerl zieht nach jeder Nahrungsaufnahme, sofern sie tagsüber stattfindet, kurz die Vo rhänge auf und setzt uns der Sonne aus. Das tut in den Augen dermaßen weh, dass alles aus ist. Wir wurden tagelang in der Dunkelheit gehalten und jetzt gibt es plötzlich grelle Sonne. Das geht gar nicht. Keine Ahnung, was er damit bezweckt. Also, einfach über nichts wundern und sei vorsichtig mit deinen Kommentaren, sonst geht es dir wie unserem Küken und du wirst auf Diät gesetzt.“
„Wie – auf Diät?“ Sabine runzelte die Stirn und warf einen fragenden Blick auf die schmollende Selda.
„Nun ja“, antwortete diese, „ich bin dem Herrn wohl etwas zu offen und direkt. Auf jeden Fall bekomme ich derzeit keine Na hrung mehr.“
Sabine wollte gerade antworten, als die Tür knarrend geöffnet wurde und zwei Vampire feierlich das Tablett hereintrugen, auf dem das Blut für die Fürstentöchter stand. Sie waren gerade bei Luisa angekommen, als eine weitere Person den Raum betrat. Der Fremde war um einiges kleiner als die Kinder der Dunke lheit, die Sabine bisher getroffen hatte. Sie schätzte ihn auf etwa einen Meter siebzig. Sein Gesicht war durchaus schön und wies fast schon aristokratische Züge auf, das kurz geschnittene, schwarze Haar war nach hinten gekämmt. Der ganze Mann schien ein einziges, kraftstrotzendes Muskelpaket zu sein. Sabine musste nicht fragen, sie wusste, dass sie hier dem Wesen gegenüberstand oder vielmehr -saß, das sich vor über zweitausend Jahren mit Alexander dem Großen aufgemacht hatte, die Welt zu erobern. Dieser Mann hier war Perdikkas!
Er musterte sie eingehend. Ein Lächeln, das nie die Augen e rreichte, huschte über seine vollen Lippen. „Sieh da, da ist ja das Vögelchen, das meinem Sohn fast schon freiwillig in die Netze geflogen ist. Kind, du bist ein Geschenk der Götter. Ich weiß jemanden, der vor Sorge fast in den Wahnsinn getrieben wird. Ach, Kleines, du machst mir mehr Freude, als du ermessen kannst! Ich will dich nicht unnötig quälen, daher wirst du später noch menschliche Nahrung erhalten. Jetzt aber muss ich leider darauf bestehen, dass du ein kleines Gläschen meines kostbaren Lebenssaftes zu dir nimmst.“ Immer noch das kalte Lächeln im Gesicht, reichte er ihr den schön ziselierten Kristallkelch.
Sabine wollte schon abwehren, als sie aus dem Augenwinkel den warnenden Blick Luisas wahrnahm. Sie ahnte, dass die Fürstentochter gute Gründe dafür haben musste. Daher nahm sie, wenn auch widerstrebend, das Glas entgegen, in dem offenbar das Blut dieses Monsters war, und überwand sich unter Aufbringung all ihrer Willenskraft, es zu schlucken. Sie war mehr als überrascht, dass das Blut Perdikkas besser schmeckte als süßer Wein. Es erinnerte sie an warmen Honigmet und auch die Wirkung war unglaublich. Sie fühlte, wie ihre Lebenskraft gestärkt wurde und auch eine andere Reaktion ihres Körpers, die sie jetzt gern ignoriert hätte. Sein Blut war das gleiche Aphrodisiakum wie das von Luca. Allerdings gelang es ihr ganz gut, dieses Gefühl zu unterdrücken, Perdikkas – oder Alexandre, wie er sich jetzt nannte – wollte sie sicherlich nicht zu nah an sich heranlassen.
Während Sabine noch darum rang, die Auswirkungen seines Blutes zu bekämpfen, gingen er und seine Diener hinüber zu Samira. Auf deren Wangen war wieder etwas Farbe zurückg ekehrt und sie sah wesentlich besser aus als noch vor einer halben Stunde. Alexandre hielt vor ihrer Lagerstatt abrupt inne. Den Diener, der nun auch Samira gerade einen Kelch reichen wollte, hielt er barsch zurück.
„Halt, warte! Was rieche ich denn da? Die Dame hat sich Me nschenblut gegönnt. Ist dir mein Blut nicht gut genug?“ Langsam näherte er sich Samira, die sich an die Lehne ihres Bettes gedrückt hatte, um möglichst weit weg von ihm zu sein. Wie ein Raubtier schlich er lauernd auf sie zu, um schließlich, in einer blitzschnellen Bewegung, die Hand auf Samiras
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