Kinder der Dunkelheit
verspottet, konnte er nicht wenigstens so viel Ehrgefühl aufbringen, einen tödlich Verwundeten durch einen gezielten Schwertstreich sterben zu lassen? – Offensichtlich nicht.
Mohammed fühlte, wie sie ihn losbanden und er auf den Boden fiel. Nein, nicht so! Er wollte nicht hilflos und auf Knien vor diesem Schlächter liegen. Also sammelte er seine letzten Kräfte und mit unendlicher Anstrengung gelang es ihm, aufzustehen. Das Raunen in der Runde wurde lauter, niemand hatte damit gerechnet, ihn noch einmal auf den Beinen zu sehen.
Die sarkastische Stimme des Don brachte alle zum Schweigen. „Sieh da, der Bursche ist um einiges zäher, als ich gedacht hatte. Das macht es für uns noch interessanter. Los, führt ihn hinaus!“
Mohammed spürte, wie sie ihn unter den Armen ergriffen und mehr hinausschleiften als ihn führten, seine Beine versagten ihm immer wieder den Dienst. Er spürte die frische Luft auf seiner Haut und roch den Duft der Wiesen, durch den kleinen Schlitz am Auge erspähte er einen roten Schimmer am Horizont. Die Sonne ging gerade unter. Mohammed wusste, dass dies der letzte Sonnenuntergang war, den er in seinem Leben zu sehen bekommen würde.
Als Nächstes nahm er wahr, dass er grob emporgehoben wurde und man seine Arme in ausgestrecktem Zustand an etwas festband. Auch sein Oberkörper wurde festgezurrt, seine Füße wurden auf etwas gestellt und dann ebenfalls angebunden. Erst, als seine Hände ergriffen worden waren und er fühlte, wie man Eisen durch seine Handflächen trieb, schob sich die grauenvolle Erkenntnis in sein Bewusstsein: Er hing an einem Kreuz, das der Don vor den Ställen hatte erbauen lassen! Don Ricardo und seine Männer hatten ihn an ein Kreuz genagelt – wie einst den Mann, in dessen Namen sie wahllos Menschen niedermetzelten. Mohammed spürte, wie eine Hand nachlässig sein vor Schmerzen schon fast taubes rechtes Bein tätschelte.
„Nun, mein junger Freund, es ist eine große Ehre für dich, zu sterben wie Christus. Im Leben wolltest du kein Christ werden, so sei es zumindest im Tode. Ich überlasse dich nun deinem Schicksal; du hast noch ein wenig Zeit, um über deine Sünden nachzudenken, denn eine Zukunft hast du bedauernswerterweise nicht mehr. Ich hingegen schon und in eben jene gehe ich jetzt mit großer Freude. Ich werde nun die schöne Ana aufsuchen und ihr mitteilen, dass ich ihr zu vergeben gedenke. Gehab dich wohl, Mohammed al Hassarin, bald siehst du deine Familie wieder.“
Mohammed hörte noch, wie der Don zwei Männern befahl, bei ihm Wache zu halten und niemandem zu erlauben, ihn von se inem Kreuz zu holen. Es folgte nichts als tödliche Stille und Mohammed dachte bereits, sie hätten ihn doch allein seinem Schicksal überlassen, als plötzlich eine leise, verärgerte Stimme erklang.
„Verdammt, jetzt müssen wir hier dem Mauren beim Sterben zusehen, ich hätte so viel Besseres zu tun!“
„Ach, nun komm schon, der macht es nicht mehr lange, dann können wir auch weg. Lebt er überhaupt noch?“
„Moment mal.“
Er spürte, wie ein Messer oder ein Dolch in seine Hüfte gestoßen und ein wenig gedreht wurde. Sein geschundener Körper reagierte mit heftigen Zuckungen.
„Ja, er lebt noch, aber ganz sicher nicht mehr lange. Oh, ich habe wohl eine Ader getroffen, das blutet ja hübsch!“
Mohammed fürchtete sich davor, im Jenseits seiner Familie u nter die Augen zu treten, die wegen ihm so sehr hatte leiden müssen. Und noch etwas: Er fragte sich, in wessen Hände er sein Schicksal denn nun legen sollte. Welcher der eifersüchtigen, rachsüchtigen, ungerechten Götter könnte sich wohl seiner Seele annehmen? Sein Kopf sank nach vorn, sein Körper sackte noch mehr in sich zusammen und er bat den Tod, ihm nun endlich Gnade zu erweisen.
Der Morgen graute bereits und erste Strahlen der sich mühsam ihren Weg durch graue Wolken bahnenden Sonne krochen über die noch vom Tau feuchten Wiesen, als Don Ricardo mit Sebastian zurückkam, um den Toten herunterzuschneiden und zu verbrennen. Sebastian hatte seinen Herrn davon überzeugt, dass es seinem Ansehen sicher Schaden zufügen würde, wenn solch überzogene Grausamkeit ans Licht käme. Stets um seinen Ruf besorgt, zeigte der Don ein Einsehen und so waren sie mit dem Sonnenaufgang aufgebrochen, um die Spuren zu beseitigen.
Als sie sich dem Kreuze näherten, sah Don Ricardo zu seiner großen Verwunderung, dass es leer war. Bei allen Heiligen, er hatte diesen Tölpeln doch verboten, den Mauren
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