Kinder der Dunkelheit
alle Fragen, die du hast, zu beantworten. Wir haben alle Zeit der Welt und wenn ich mit meiner Erzählung fertig bin, wirst du verstehen, was ich damit meine. Bist du so weit? Kann ich beginnen?“
Mohammed nickte atemlos. Er konnte sich nicht vorstellen, was Raffaele ihm jetzt erzählen würde, doch er ahnte, dass d anach sein Leben, dass er selbst nie mehr wie zuvor sein würde.
Raffaele versuchte nun, so gut und so verständlich wie irgend möglich, eine über zweitausend Jahre alte Geschichte zusammenzufassen und begann, mit ruhiger Stimme zu erzählen.
„Die Geschichte meiner Art geht zurück bis zum Hof des Persischen Großkönigs Dareios. Er war ein fortschrittlicher und kluger Herrscher und hatte die besten Kunsthandwerker der damals bekannten Welt, ebenso wie viele Gelehrte und Heiler, um sich geschart. Eines Tages erkrankte eines seiner geliebten Kinder lebensgefährlich. Einer seiner engsten Vertrauten bat ihn dazu um ein Gespräch, welches der König ihm auch gewährte. So erfuhr er von der heilenden Kraft des Blutes der Kinder der Dunkelheit. Diese waren als Handwerker, die unter anderem den unglaublich prunkvollen Herrscherpalast mit erbauten, sowie als Gelehrte und als frühe Ärzte nach Persepolis gekommen.
Unsere Ahnen, eben jene Kinder der Dunkelheit, schützten sich vor der Sonne, die sie nicht vertrugen, auch aßen sie nur äußerst selten. Ihr Organismus benötigte Blut, dies war ihre Na hrung! Doch sie töteten nicht. Sie tranken von Menschen, denen dabei nichts geschah, die sich nachher jedoch nur an ein übermächtiges Glücksgefühl erinnerten. Mit ihrem Blut und einem enormen Wissen über den menschlichen Körper vollbrachten die Kinder der Dunkelheit Heilungen, die ansonsten nie möglich gewesen wären. Nur weil sie unendliches Vertrauen in Dareios hatten, offenbarten sie sich ihm.
Dareios zögerte nicht. Er bat darum, sein Kind zu heilen – koste es, was es wolle – und wollte dabei zusehen. Das kleine Mädchen wurde geholt, von meinen Vorfahren in Trance versetzt. Dann öffnete sich der älteste Heiler die Pulsader und gab dem Kind, das schon fast zu schwach war, um Nahrung aufzunehmen, davon zu trinken. Die Kleine schluckte erst nach einer gefühlten Ewigkeit. Doch tatsächlich kehrte Leben in das Kind zurück. Als der Heiler seinen Arm schließlich vorsichtig zurückzog, bettelte sie sogar darum, nur noch einen Schluck trinken zu dürfen. Die Bitte der Kleinen wurde gewährt, und als sie danach ihrem Vater um den Hals fiel, lächelte Dareios. Er hielt sein Kind im Arm und sprach zu meinen Vorfahren: ,Ihr habt mir mein Kind wiedergegeben! Nun gebe ich euch, was immer ihr benötigt!‘
Schon zuvor waren die Kinder der Dunkelheit dank ihrer F ähigkeiten angesehen gewesen, doch seit jenem Tag wurde ihnen jeder Wunsch gewährt. Sie waren wie Mitglieder der Königlichen Familie. Das sahen viele Höflinge nicht gern und versuchten, sie aus dem Weg zu räumen. Man stelle sich vor, wie es sich angefühlt haben muss, wenn die Meuchelmörder in der Nacht auf einen von ihnen einstachen und ihn verblutend liegen ließen, nur um ihn in der folgenden Nacht quicklebendig, höchst verärgert und voll übermenschlicher Kraft erneut vor sich zu sehen. Es gab in Dareios’ Reich sogenannte Blutsklaven für unsere Ahnen. Jeder, der dies einmal war, wollte diese Stellung nie wieder aufgeben. Sie waren wohl die glücklichsten Sklaven der Geschichte, wurden nie krank und alterten kaum. Diese Gunst wurde ihnen dank unseres Blutes zuteil, von dem sie regelmäßig kleine Mengen erhielten, denn wir, die Kinder der Dunkelheit – und das ist jetzt ein für dich sehr wichtiger Teil dieser Geschichte – sind unsterblich!
Als Dank für all seine Gunst bekamen Dareios und seine Fam ilie ebenfalls regelmäßig etwas Blut. Er trotzte damit feigen Giftanschlägen, seine Familie war kerngesund und sie alterten nur sehr, sehr langsam. Erst Alexander dem Großen, dem wahnsinnigen Griechenkönig, gelang es, einen Keil zwischen die Kinder der Dunkelheit und die Königsfamilie zu treiben. Unsere Ahnen hatten Dareios einst vor Alexander gewarnt. Er jedoch sah in einem Kampf gegen Alexander die einzigartige Möglichkeit, sein Reich noch weiter zu vergrößern. Als er viel zu spät seinen fatalen Irrtum erkannte, als er von Alexanders Kavallerie überrannt wurde, hatten meine Ahnen sich bereits zurückgezogen. Allerdings nicht, ohne Alexander und seinen Heerführern noch ein paar kleine „Gastgeschenke“ mit auf
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