Kinder der Dunkelheit
war so ganz das Gegenteil des harten, mit Schönheit oder Wärme nicht im Ansatz gesegneten Granden.
Gerade wollte Sebastian sich abwenden, als ihm die kleinen Blutspritzer zu seinen Füßen auffielen. Sie waren auf dem bunten Mosaik des Bodens fast nicht zu erkennen, doch sein geschultes Auge erkannte Blut so gut wie überall. Sein Blick folgte der kleinen Spur und fing sich im Dunkel der Mauernische. Als er noch näher herantrat, setzte sein Herz kurz aus, um dann ebenso schnell seine Arbeit wieder aufzunehmen, genau wie Sebastians scharfer Verstand.
Minuten später verließ er das Haus, vor seinem Körper trug er ein eng geschnürtes, azurblaues Bündel und stieg auf sein wa rtendes Pferd. Im Vorbeireiten warf er seinen Männern noch letzte Anweisungen zu, dann ritt er zur Stadt, während der erste helle Schein der Morgendämmerung sich zaudernd zeigte.
„Oh, haben wir ein paar der eleganten Kleider der schönen Fathwa für die Frau Gemahlin mitgehen lassen?“ Juan rieb sich, noch immer wütend über den Angriff seines Vorgesetzten, die dicke Beule am Hinterkopf.
„Mann, halt deinen vorlauten Mund! Wenn das dem Commandante zu Ohren kommt, dann kannst du dich auf was gefasst machen. Möchte nicht wissen, was du alles in deinen Taschen hast.“ Der andere Soldat grinste Juan wissend an.
Der blickte hinunter auf seinen eigenen gut gefüllten Beutel und kicherte nervös. „Hast ja recht, los, lass uns weitermachen, damit wir hier wegkommen.“
Die beiden halfen daraufhin den anderen, die Eimer für Eimer Wasser aus dem Brunnen schöpften und unermüdlich das viele Blut im Innenhof in die zum Teil völlig zerstörten Blumenbeete spülten. Noch lange, nachdem die Sonne endlich aufgegangen war, brannten die Feuer. Irgendwann zeugten nur noch die beiden rauchenden Scheiterhaufen vom Grauen der letzten Nacht.
Don Ricardo atmete während seines kurzen Rittes zu den Stallungen am Rande der Stadt die klare Nachtluft tief ein. Er empfand keinerlei Bedauern, schließlich sah er es als sein Geburtsrecht, sich zurückzuholen, was seinen Vorfahren einst gestohlen worden war. Letzte Nacht hatte er nicht nur sein Eigentum zurückgewonnen, sondern auch eine weitere Schlacht für die Kirche geschlagen. Christus hatte offenbar an seiner Seite gekämpft, alles hatte sich wunderbar gefügt. Ricardo war zum ersten Mal seit langer Zeit sehr mit sich und den neuen, von ihm geschaffenen Rahmenumständen zufrieden.
6.
Die Umrisse der großen Ställe, in denen er die Pferde seiner Truppe untergebracht hatte, schälten sich wie hölzerne Riesen aus dem Dunkel. Er zügelte sein Pferd und stieg ab. Kein Laut drang aus dem Innern, sie hatten ihn offenbar gehört und verharrten still, also machte er sich bemerkbar. Sofort wurde das Tor aufgestoßen und im leichten Feuerschein sah er Anas Vater stehen, der sich offensichtlich nicht sehr wohl in seiner Haut fühlte.
„Don Ricardo, ich freue mich, Euch zu sehen“, begrüßte ihn dieser dennoch. „Ihr seid wohlauf, folglich nehme ich an, dass Euer Unterfangen erfolgreich war?“
Ricardo reichte seinem zukünftigen Schwiegervater die noch immer behandschuhte Hand. „Ja, allerdings, ich könnte zufriedener nicht sein. Bitte verzeiht, dass ich Euch bei finsterer Nacht aus Eurem warmen Bett holen ließ, doch Ihr solltet, nein, Ihr müsst sogar wissen, was gerade noch vereitelt wurde.“ Ricardo genoss die Unsicherheit des Herzogs sichtlich.
„Sicherlich habt Ihr unseren ,hochwohlgeborenen‘ Gefangenen bereits gesehen. Nun, der junge Herr hatte den Vorsatz, in dieser Nacht Eure Tochter zu entführen. Das arme verblendete Kind gab ihm noch selbst ihr Einverständnis, doch ich denke, das können wir mit bestem Gewissen auf jugendliche Schwärmerei und To rheit zurückführen.“
Selbst der unaufmerksamste Zuhörer hätte ohne Probleme den b ösen Zynismus erkannt, der aus der blumigen Ansprache des Granden troff. Der Don legte dem Herzog fast schon freundschaftlich einen Arm um die Schultern und drehte den älteren Herrn langsam in Richtung eines schweren Holzbalkens, der den Hauptteil des Daches der Stallung stützte. Daran hing mehr, als dass er stand, Mohammed al Hassarin. Sein einst schönes Gesicht war nach offensichtlich zahllosen Schlägen nur noch eine blutige Masse, aus der lediglich zwei kleine Augenschlitze hervorlugten. Aus seinem langen Haar tropfte das Blut und seine Kleidung war an Armen und Beinen von Peitschenhieben zerfetzt, die bis tief in sein Fleisch
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