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Kinder der Dunkelheit

Kinder der Dunkelheit

Titel: Kinder der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Ketterl
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herunterzuholen! Erst, als die beiden Männer den Ort erreicht hatten, erkannte Don Ricardo, dass nicht nur der Gefangene nicht mehr dort hing. An seiner statt fanden die beiden Herangerittenen die Wächter, denen man die eigenen Schwerter durch den Hals getrieben und sie so zusammen an den Fuß des Kreuzes genagelt hatte. Sie starrten den Don und Sebastian aus leblosen Augen an, selbst im Tode stand noch der Schreck über das, was sie als Letztes in ihrem Leben gesehen hatten, in ihren Gesichtern. Der tote Maure aber war spurlos verschwunden!
    Der Don fröstelte plötzlich. Eisige Kälte machte sich in seinen Gliedmaßen breit und er befahl Sebastian, sich um die Toten zu kümmern. Don Ricardo verließ in gestrecktem Galopp die Stätte des Grauens. Er versuchte, die Angst abzuschütteln, die urplöt zlich in ihm aufstieg, doch der Funke steckte tief in seinem Kopf und ließ sich nicht mehr auslöschen, so sehr er es auch versuchte.

7.
    Wiedergeburt
     
     
    Gleichmäßiges, angenehmes Meeresrauschen plätscherte an seine Ohren, es klang beruhigend und vertraut, nach Ewigkeit, Ruhe und Frieden – nach all dem, das er zu finden gehofft hatte, während er auf den erlösenden Tod wartete. Er fühlte keine Schmerzen mehr, sein Körper hing auch nicht mehr an dem Kreuz, sondern war auf ein weiches Lager gebettet. Bis auf das Rauschen des Wassers war kein Geräusch zu hören. Der Tod hatte ihm also letztendlich die erbetene Gnade erwiesen – er hatte endlich sterben dürfen.
    Es dauerte eine Weile, bis Mohammed den Versuch wagte, die Augen zu öffnen, und als er es endlich tat, sah er Dunkelheit, durchbrochen von silbrig-weichem Licht. Durch dieses schille rten Wellen, die sich stetig und unbeirrt an einem Felsen brachen, der mitten aus dem Wasser ragte. Es war ein schöner und tröstlicher Anblick, den Mohammed eine Weile unbewegt in sich aufnahm. Es tat gut, einfach so dazuliegen und nur auf das Wasser hinauszublicken. Er hatte das Meer schon immer geliebt, es freute ihn, dass er im Jenseits nun direkt an einem Meer erwachte. Eine gute Wahl der Götter – welcher auch immer.
    Es war die Neugierde, die letztendlich siegte und Mohammed dazu veranlasste, sich erheben zu wollen. Er versuchte, sich mit den Armen abzustützen und nach oben zu sehen, doch es mis slang kläglich. Er hatte den Kopf kaum angehoben, als die Welt um ihn herum sich zu drehen begann und er sofort wieder zurücksank.
    „Vorsichtig, mein Junge! Vorsichtig und langsam, du hast alle Zeit der Welt. Du bist noch nicht wieder ganz bei Kräften.“
    Es dauerte eine Weile, ehe Mohammed begriff, dass jemand zu ihm gesprochen hatte und die tiefe, angenehme Stimme nicht aus seinem Gehirn kam. Er versuchte, denjenigen zu sehen, der diese Worte gesagt hatte, doch dazu musste er wieder den Kopf heben, was ihm abermals nicht gut bekam.
    „Warte, mein Junge, lass das! Bleib liegen, ich bin hier, auf deiner anderen Seite!“
    Mohammed drehte mit etwas Mühe das Gesicht in die Richtung, aus der die Stimme kam, die so freundlich und beruhigend klang, dass er sicher war, dass keinerlei Gefahr drohte. Etwas weiter entfernt erkannte er ein kleines flackerndes Feuer und in dessen Schein erblickte er einen höchst beeindruckenden Mann. Langes graues Haar fiel dem Unbekannten in weichen Locken bis über die Schultern. Als er genau hinsah, erkannte Mohammed, dass das Haar im Mondlicht fast wie Silber leuchtete, aus strahlend blauen Augen sah der Fremde ihn freundlich und besorgt gleichzeitig an. Das schlanke Antlitz des Mannes war deutlich blasser, als sein eigenes einst gewesen war, und wies eine einzigartige wilde Schönheit auf, eingerahmt von diversen Ringen, die an seinen Ohren baumelten und in denen sich das Flackern des Feuers widerspiegelte. Er hatte sein Gesicht leicht schräg geneigt – offenbar, um es Mohammed zu erleichtern, ihn zu betrachten – und lächelte.
    Mohammed war verwirrt. Wer mochte das sein? War dies eines der Wesen, die Toten dabei halfen, sich im Jenseits zurechtzufinden? Letztendlich entschied er sich für das einzig Vernünftige, nämlich dafür, endlich mit dem Mann zu sprechen. Er öffnete seine Lippen, besorgt darüber, ob er wieder in der Lage sein würde, sich vernünftig zu artikulieren, doch sein Mund und seine Zunge verhielten sich so wie früher und das Sprechen fiel ihm leicht.
    „Wer seid Ihr, und wo bin ich hier?“
    Weiter fragte er lieber nicht, denn er nahm an, dass die Erklärung zu dieser kurzen Frage bereits umfangreich

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