Kinder der Dunkelheit
La Aguila dümpelten schon seit sie hier angekommen waren im Hafen vor sich hin. Der Herr wollte wissen, ob und wann eine größere Reisegruppe mit einer ausnehmend schönen Frau und zwei kleinen Jungen an Bord eines der beiden Schiffe gehen würde. Andro verstand nicht, warum er nicht einfach dort auf den Schiffen nachfragte, doch er wagte nicht, seine Gedanken laut zu äußern. Er kannte den Jähzorn seines Herrn nur zu gut.
Also schwieg er, beobachtete weiter die beiden Schiffe und achtete darauf, dass tagsüber niemand auch nur in die Nähe der beiden Zimmer kam. Wobei, das war immer noch besser als das, wozu man Lysander auserkoren hatte. Der musste jetzt seit drei Tagen sämtliche Zufahrtswege nach Malaga im Blick behalten – und zwar Tag und Nacht. Wahrscheinlich war der kurz davor, zusammenzubrechen, also war es wohl immer noch besser, hier dumm herumzusitzen und die Schlafenden zu bewachen. Es war sicher besser, sein Herr schlief, als dass er wach wäre. Er schien in einer Weise angespannt, dass man am besten gar nichts mehr sagte und möglichst nicht auffiel.
Andro verlagerte sein Gewicht und versuchte, eine bequemere Sitzposition einzunehmen. Als ihm die Augen vor Müdigkeit zufielen, schreckte er hoch. Suchend glitt sein Blick über die beiden Schoner draußen im Meer, doch dort hatte sich nichts getan. Dafür durfte er den dritten Sonnenuntergang in Folge sehen, nur konnte er ihm nichts mehr abgewinnen. Es galt, die Ruhe noch zu genießen, bald würde sein Herr erwachen und dann war es für die nächsten Stunden vorbei mit Sorglosigkeit und Frieden. Andro streckte seine müden Gliedmaßen und harrte ein wenig angespannt der Dinge, die da kommen sollten.
„Komm mein Freund, wir brechen auf! Es ist an der Zeit, diesem Land eine Weile den Rücken zu kehren.“ Raffaele schüttelte ihn sanft und Mohammed erwachte aus einem tiefen, erholsamen Schlaf.
Soeben war die Sonne im Meer versunken und hatte noch etwas von ihrer Wärme und ihrem goldenen Schein für sie zurückgelassen. Mohammed genoss den Anblick sehr und ein Seitenblick auf Vittorio zeigte ihm, dass es dem Freund nicht anders erging. Doch Raffaele drängte zur Eile und, ehrlich gesagt, war das Mohammed nur allzu recht. Jetzt Abstand zu gewinnen, würde ihm gut tun. Auch die Tatsache, dass er seit letzter Nacht ziemlich wohlhabend war, trug sicherlich dazu bei, dass er dem Abenteuer, in ein fremdes Land zu reisen, doch recht entspannt entgegensah.
Ihm war bewusst gewesen, dass sein Vater sein Vermögen bis zuletzt in dem geheimen Fach in seinem Schlafzimmer verwahren würde. Es hätte an ein Wunder gegrenzt, wenn Don Ricardo es gefunden hätte. Nun hatte er es, gut verpackt, in seinem Reisegepäck verstaut. Vittorio, der sie nicht begleiten würde, wollte den anderen Teil gut verwahren und Mohammed vertraute ihm hier gänzlich.
Als zwei große, dunkle Männer an der Höhle auftauchten, war Mohammed nur geringfügig beunruhigt, vor allem, da Vittorio sofort auf sie zueilte und sie mit Fragen überschüttete. Der Jüngere von beiden, der von Vittorio als „El Cazador“, was so viel wie Jäger bedeutete, vorgestellt wurde, war schweigsam, aber sehr freundlich. Er lächelte Mohammed kurz an und streckte ihm dann die Hand entgegen. Seine dunkelbraunen Augen ruhten eine kleine Weile neugierig auf dem neuen Mitglied der „Familie“, dann wandte er sich an Vittorio.
„Sie sind gestern in Malaga eingetroffen, den Tag haben sie im Haus von Freunden verbracht. Das Schiff wartet bereits seit vier Tagen im Hafen, wir haben dort auch die Reina Isabella vor A nker liegen lassen. Sollte jemand herausfinden wollen, auf welchem Schiff sie sind, wird es heute Nacht schwer werden. Wir haben genau die gleiche Gruppe nochmals zusammengestellt und sie werden an Bord der Isabella gehen. Samira und ihre Familie werden wie auch ihr mit der La Aguila auslaufen.“
El Cazador strich sich die wild vom Kopf abstehenden Locken aus der Stirn, was nicht zu nennenswertem Erfolg führte, sodass er ein großes schwarzes Bandana aus der Tasche zog und sich mit dem Tuch seine störrische Mähne kurzerhand zurückband. Raffaeles Grinsen kommentierte er mit den Worten: „Im Gegensatz zu anderen sehe ich gern, wohin ich gehe.“ Ein kurzer Seitenhieb auf Raffaeles wilde, silbergraue Haarflut, die ihm ungebändigt über die Schultern wallte und ihm immer wieder in die Stirn fiel.
Der zog unbeeindruckt die Schultern hoch und mahnte zur Eile. „Los, wir müssen aufs
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