Kinder der Dunkelheit
uns wieder, das kann ich dir versprechen.“
Kurz darauf betraten Mohammed und Raffaele, eingehüllt in ihre Umhänge, die La Aguila, gemeinsam mit zehn anderen, die sich alle schnell unter Deck begaben. Nur eine kleinere schlanke Gestalt kam rasch auf Raffaele zu, zog die Kapuze ein wenig zur Seite, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange.
„Pünktlich, das erste Mal in zweihundertvierzig Jahren! Du wirst alt!“
Für den Bruchteil einer Sekunde sah Mohammed ein fast schwarzes Augenpaar aufblitzen und blickte in das schönste Frauengesicht, das er in seinem ganzen Leben zu Gesicht bekommen hatte. Doch schon hatte die Unbekannte sich wieder verhüllt und war auch bereits im Bauch des Schiffes verschwunden .
„Frech wie eh und je. Das, mein Lieber, war Samira. Wir we rden noch viel Freude mit ihr haben. Was ist, kommst du mit zu den anderen?“
„Gib mir bitte noch etwas Zeit, ich möchte mich verabschieden, verstehst du das?“
„Nur zu gut, Luca, nur zu gut.“
Seinen neuen Namen zu hören, war ungewohnt, doch fühlte es sich auch irgendwie richtig an. Raffaele schloss ihn kurz in die Arme und folgte dann Samira. Luca stellte sich an den Bug der Aguila und genoss den frischen, kalten Nachtwind, während sie sich immer weiter vom Ufer entfernten. Er sah hinüber zur Anlegestelle und mit einem Mal war ihm, als sähe er dort sich selbst stehen. Doch sein Spiegelbild begann sich langsam aufzulösen, als würde es Stück für Stück vom Wind davongetragen. Da endlich konnte er es akzeptieren. Mohammed al Hassarin würde für immer hier zurückbleiben und mit ihm das Grauen, das er erlebt hatte. Luca de Marco aber würde ab heute beginnen zu leben. Ein Leben, dem er voller Erwartung und Neugier entgegenblickte.
Als er einen letzten Blick zurückwarf, war Mohammed ve rschwunden und Luca entschlossen, jetzt erst einmal die schöne Samira besser kennenzulernen. Er streifte die Kapuze ab, warf mit beiden Händen sein langes Haar zurück und folgte mit einem Lächeln auf den Lippen Raffaele in die engen Gänge der Aguila.
11.
„Herr, Ihr müsst mir glauben! Ich habe niemanden gesehen. Sie müssen auf Schleichwegen, die ich nicht kennen konnte, an mir vorbeigekommen sein. Bitte, Herr, ich habe wirklich mein Bestes getan.“
Lysander lag vor seinem Herrn im Staub. Das war das Minde ste, was dieser nun von ihm erwartete, denn Versagen hatte er noch nie geduldet. Nun ging er langsam auf den vor ihm liegenden Lysander zu.
„Wieder einmal enttäuschst du mich, wieder einmal haben wir um deinetwillen wertvolle Zeit verloren! Ich hatte eine klare Anweisung erteilt. Ich wollte rechtzeitig wissen, wann die Gruppe um Abdallahs Tochter hier eintrifft und nun muss ich hören, dass sie längst an Bord eines der beiden Schiffe sind und du nichtsnutziges Wesen sie einfach verschlafen hast.“
Lysander begann zu wimmern. „Herr, ich habe nicht geschl afen, so glaubt mir doch!“
Er stand jetzt direkt vor dem sich vor Angst windendem Mann, langsam setzte er einen Stiefel auf dessen Handrücken. „Versage nur noch ein einziges Mal und ich werde dich lehren, was es heißt, meinen Anordnungen nicht pflichtgemäß Folge zu leisten.“ Langsam senkte sich sein Fuß nach unten und der Absatz des Stiefels wurde auf Lysanders schutzlose Hand gepresst. Erst, als es deutlich vernehmbar knackte, lächelte der Stehende zufrieden und ließ von dem zitternden Diener ab. „Lass dir das eine Lehre sein, eine allerletzte Lehre! Hast du mich verstanden?“
„Ja, Herr, natürlich.“
„Verschwinde, steh auf und hilf Andro beim Packen! Wenn mein Sohn zurückkehrt, muss alles vorbereitet sein. Nun mach schon!“
Wütend winkte er Andro herbei, der sich das alles gern noch weiter aus einer vernünftigen und vor allem sicheren Entfernung angesehen hätte.
„Nimm diesen Nichtsnutz und dann verschwindet.“
Lysander hatte sich inzwischen aufgerappelt und drückte seine gebrochene Hand an den Leib, während sein Gesicht schmerzverzerrt war.
„Los, nun komm schon.“ Andro stieß ihn vorwärts, jedoch nicht zu fest. „Schneller, ich kümmere mich um deine Hand.“
Er sah den beiden Dienern nach, bis sie in der Herberge verschwunden waren. Er war wütend. Seit Tagen hatten sie gewartet, wohlwissend, dass die kostbare Fracht irgendwann hier vorbeikommen musste. Nun waren sie ihm in letzter Sekunde entwischt! Und warum? Nur weil die Menschen um ihn herum einfach unfähig waren. Hoffentlich hatte Ares
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