Kinder der Dunkelheit
gänzlich verlassen vor ihm lag. Niemals hätte er damit gerechnet, dass ihn diese kleine Ratte angreifen würde, nicht, nachdem sie so viele Jahre gemeinsam und sich aufeinander verlassend, die Attentate im Auftrag ihres Herrn ausgeführt hatten. Doch ausgerechnet jetzt, als er endlich – nach so langer Zeit – den Mut aufbrachte, sich zu verweigern, als er endlich zum ersten Mal Nein sagte, ausgerechnet jetzt musste Lysander lernen, dass sein Vertrauen hier vergeudet war. Das Messer steckte so schnell in seinem Rücken, dass er nicht mehr reagieren konnte.
Während er zu Boden ging, fühlte er, wie sein Mörder ihm die Zähne in den Hals schlug. Mit zufriedenem Gesicht ließ der Vampir nach einigen Augenblicken von ihm ab. Lysander bekam gerade noch mit, wie sein ehemaliger Mordkumpan auf seinem Mobiltelefon herumhackte und konnte so dessen letzte Worte verstehen.
„Wir haben alles zu Eurer Zufriedenheit erledigt, Herr. Ja, er ist tot. Aber es gab ein kleines Problem hier, von dem ich hoffe, es in Eurem Sinne gelöst zu haben. Mein Kollege wollte aus unserem Unternehmen aussteigen. Ich konnte ihn leider nicht umstimmen und so musste ich ihn dann doch davon abhalten. Ja, Herr, er ist tot – oder zumindest bald. Er kann sich nicht mehr selbst heilen, dazu ist er zu anämisch. Natürlich, ich komme sofort zurück. Ich lasse ihn bei dem anderen hier liegen. Die Sonne wird bis zum Mittag das ihre getan haben. Vorher kommt hier um diese Jahreszeit sowieso niemand her. Ich bin unterwegs, Herr.“
Er steckte das Handy zurück in die Jackentasche, griff nach Lysanders schlaffen Armen und schleifte ihn etwas weiter hinunter in Richtung Wasser. Dort warf er ihn fast angewidert neben den toten Körper eines jungen Mannes, der selbst im Tod noch von außergewöhnlicher Schönheit war.
„Tja, das ist jetzt dumm gelaufen für euch zwei. Ich wünsche fröhliches Brennen, sobald die Sonne aufgeht. Gehabt euch wohl!“
Eiligen Schrittes wandte er sich ab und lief in höllischem Tempo die grob zwanzig Kilometer zu dem kleinen Jachthafen, der jetzt im Winter fast verlassen war. Mit geübten Griffen machte er das Schnellboot los, mit dem er und Lysander vor wenigen Stunden hier angekommen waren, und verschwand in der Nacht.
17.
Luca hatte seine kostbare Fracht vorsichtig im Schlafzimmer abgesetzt und sah bewundernd an ihr hinunter. „Ich muss schon sagen, du warst heute mit Abstand die schönste Frau in Venedig, ist es denn da ein Wunder, dass ich so unglaublich stolz auf dich bin?“
„Also ganz im Ernst, so wie ihr mich hier ausgestattet habt, ist es nicht besonders schwierig, zu glänzen.“
„Sag das nicht! Es gibt Menschen, an die du allen Schmuck der Welt hängen könntest und doch wären sie immer noch unscheinbar. Glaub mir bitte, ich hab da ein paar Jahre Erfahrung.“
Sabine zuckte die Schultern. „Wenn du meinst. Ich dachte i mmer, Kleider machen Leute.“
„Nicht in deinem Fall. Du adelst, was du trägst. Warte, lass mich dir zur Hand gehen!“ Luca beeilte sich, Sabine dabei zu helfen, das schwere Diamantcollier abzunehmen und legte es sorgsam auf den Tisch, gefolgt von den langen Ohrringen.
„Gib gut darauf acht, wenn Raffaele es zurückgibt, dann muss es sicher heil sein.“
Luca sah sie verwundert an. „Wieso zurückgeben? Es gehört dir!“
„Seid ihr wahnsinnig? Das Schmuckstück kostet doch mindestens so viel wie ein Haus.“
„Schon, aber ein Haus am Hals ist langweilig.“ feixte Luca.
Sabine schüttelte vollkommen sprachlos den Kopf. „Ich möchte ja nicht neugierig sein, aber was muss man arbeiten, um so viel Geld ausgeben zu können?“
„Man muss erstens lange leben und zweitens sehr vernünftig denken und vorgehen. Wir haben immer schon unser Vermögen in Sachwerten angelegt. Gold, Silber, Edelsteine, herrliche Häuser, Grundstücke, aber wir haben auch in sinnvolle Unternehmen investiert. Hier in Italien zum Beispiel in Ölmühlen, Weinberge, die Produktion von exquisiten Lebensmitteln – denn dass man sie selbst nicht isst, bedeutet ja nicht, dass man sie nicht schätzt und dafür sorgt, dass Qualität und Tradition nicht aussterben. Außerdem natürlich in Kunstwerke und Antiquitäten – damit kennen wir uns besonders gut aus. Mit all dem kann man auf gute Art und Weise viel Geld verdienen.“
„Was, keine Aktien, Firmenanteile und so?“
Luca verzog angeekelt das Gesicht. „Nein, das sind tote Werte. Es hat rein gar nichts mit Produktivität oder mit ehrlicher
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