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Kinder der Nacht

Kinder der Nacht

Titel: Kinder der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Tote, bei denen sich keine Verwandten melden.«
    »Mr. Stancu vom Ministerium?« sagte Kate.
    »Ja, den habe ich hier gefunden. Aber mein Brief an Sie war nicht vollkommen arglos, Kate. Ein Freund im Orden hatte mir den Tip gegeben, daß Stancu ermordet worden war. Genau wie Popescu.«
    »Können wir diesen Freund kennenlernen?« sagte O'Rourke.
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Er wurde in derselben Woche ermordet wie meine Eltern«, sagte Lucian. »Sie haben ihm den Kopf abgeschnitten.« Er machte die Türen auf, und die drei traten in eiskalte Dunkelheit. Kahle Edelstahltische mit Keramikbecken und Podesten ragten in der Dunkelheit auf. Sie waren nicht sauber.
    »Wissen Sie«, sagte O'Rourke tonlos, »wir haben nur Ihr Wort darauf, daß Ihre Eltern tot sind.«
    »Hm-mmm«, stimmte Lucian zu. Er gab Kate die Taschenlampe. »Danke«, sagte er, als sie sie gerade hielt. Er machte eine Klappe auf und zog eine lange Bahre heraus. Lucian hob das Leichentuch.
    »Kate, kennen Sie ihn?« sagte Lucian mit gepreßter Stimme.
    »Ja.« Als sie Lucians Vater zum letzten Mal gesehen hatte, hatte ihr der Mann Komplimente auf französisch gemacht, gelacht und allen am Tisch mehr Wein eingeschenkt. Jetzt sah er aus, als wäre ihm an zwei Stellen die Kehle durchgeschnitten worden. Seine Haut war weiß.
    Lucian machte das Schubfach zu und das daneben auf. »Und sie?«
    Kate betrachtete die Frau in mittleren Jahren, die vor Freude errötet war, als Kate die Familie Forsea eingeladen hatte, sie zu besuchen, wenn Lucian mit ihnen nach Abschluß des Medizinstudiums nach Colorado käme. Mrs. Forsea hatte sich eigens für die nachmittägliche Begegnung das Haar machen lassen. Kate konnte immer noch eine graue Locke sehen. Die Wunden am Hals waren fast identisch mit denen ihres Mannes.
    »Ja«, sagte Kate, die O'Rourkes Hand ergriff und drückte, ohne es zu wollen. Und wenn sie Schauspieler waren? In Wirklichkeit gar nicht Lucians Eltern? Wenn das Ganze eine weitreichende Verschwörung war? Aber Kate wußte es besser.
    Lucian machte das Schubfach zu.
    »Wollten Sie uns das zeigen?« sagte O'Rourke.
    »Nein.« Er machte sich an dem Schlüsselring zu schaffen und schloß eine schwere Stahltür auf, die in die gegenüberliegende Wand eingelassen war. Im Nebenzimmer war es kälter und noch dunkler, aber Kate konnte Leuchtziffern und Dioden sehen, die einen niedrigen Metallzylinder beleuchteten, der wie ein Blech-Wassertank aussah, wie sie sie auf Farmen in Colorado gesehen hatte. Die Oberfläche des Tanks blubberte und brodelte.
    Nach zwei Schritten blieb Kate stehen und schlug die Hände vor das Gesicht.
    »Großer Gott!« hauchte Pater O'Rourke. Er hob eine Hand, als wollte er sich bekreuzigen.
    »Kommen Sie«, flüsterte Lucian. »Hier werden wir unsere letzte Probe nehmen.« Er führte sie weiter.
     
    Der Stahltank war etwa neunzig Zentimeter tief und über zwei Meter lang und mit Blut gefüllt. Zuerst konnte Kate trotz der Farbe im spärlichen Licht und der offensichtlichen Viskosität nicht glauben, daß es sich um Blut handelte, aber Lucian hatte ihre Reaktion gesehen und sagte: »Doch, es ist echtes Blut. Ich habe es aus dem Krankenhaus Distrikt Eins und von anderen Stellen gestohlen. Ein Großteil stammt von den amerikanischen Hilfsorganisationen.«
    Kate mußte an die sterbenden Kinder denken, die Bluttransfusionen gebraucht hatten, als sie vergangenen Mai noch in Bukarest arbeitete, aber bevor sie Lucian scharf anfahren konnte, sah sie, was unter der brodelnden Oberfläche in dem Tank schwebte.
    »O mein Gott.« Sie hatte geflüstert. Jetzt beugte sie sich trotz ihres Grauens dichter hin, damit sie in den Tank hineinsehen konnte, und blinzelte im roten und grünen Leuchten des runden Dutzends medizinischer Instrumente, die sich an einem Ende des Trogs drängten, wo isolierte Leitungen und Kabel in das Bad träge blubbernden Menschenbluts führten.
    Es war ein Mann ... jedenfalls war es einmal einer gewesen ... nackt, Augen und Mund weit offen, das Gesicht dicht unter der Oberfläche. Verschiedene Teile seinen Körpers glänzten im öligen Licht, wenn Strömungen im Blut ihn an die Oberfläche spülten und wieder untertauchten. Er war fast in Stücke gehauen worden, und zwar - wie Kates an Unfallwunden gewöhnter Blick feststellte - mit einer Waffe mit großer Klinge.
    »Ein geschliffener Spaten«, sagte Lucian, als hätte er ihre Gedanken gelesen.
    Kate leckte sich die Lippen. »Wer war das?« Sie wußte, was Lucian antworten

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