Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinder der Nacht

Kinder der Nacht

Titel: Kinder der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
auf. Wenn das seine tatsächliche Route war, kann er zu einer Million Stellen geflogen sein, aber ...« Er verstummte, tauchte das Gesicht unter Wasser und kam prustend wieder hoch. »Sighişoara liegt in dieser Richtung. Etwa hundertfünfzig Meilen von hier.«
    Kate erinnerte sich, was sie über Vlad Ţepeş gelesen hatte. »Dort wurde er geboren.« Sie runzelte die Stirn. »Wenn Lucian recht hat und die Zeremonie der Weihe vier Nächte dauert, und wenn die Zeremonie die Laufbahn von Vlad Ţepeş feiern soll, hätten sie dann nicht in Sighişoara anfangen müssen?«
    O'Rourke hob die Hände über das seifige Wasser. »Und wenn sie sich rückwärts in der Zeit vorarbeiten? Auf Şnagov wurde Vlad angeblich begraben. In Tîrgovişte hat er regiert ...«
    »Und in Sighişoara wurde er geboren«, führte Kate zu Ende. »Prima, aber was ist mit der vierten und letzten Nacht? Dein Schloß Dracula scheint nicht in die Reihenfolge zu passen.«
    »Es sei denn, daß der nächste Fürst dort die Weihe empfangen soll«, flüsterte O'Rourke. Seine Augen sahen in die Ferne.
    Kate ließ sich in das abkühlende Wasser zurücksinken. »Wir mutmaßen nur. Wir haben keinen blassen Schimmer. Ich wünschte, Lucian wäre hier.«
    O'Rourke zog eine Braue hoch.
    »Nicht gerade in diesem Augenblick«, sagte Kate und errötete. »Aber er schien zu wissen ...«
    »Wenn er die Wahrheit gesagt hat.« O'Rourke verlagerte das kürzere Bein. »Dreh dich um und komm hierhergerutscht.«
    Kate zögerte einen Augenblick.
    »Ich schrubbe dir den Rücken und shampooniere dir das Haar«, sagte er und hielt ein kleines Fläschchen Shampoo hoch.
    »Kein duftendes und parfümiertes amerikanisches Shampoo, aber wahrscheinlich besser für dein Haar als das, was sich im Tunnel unter dem Friedhof des Palastes darin festgesetzt hat.«
    Kate drehte sich um und rutschte bis zur Mitte der Wanne, während O'Rourke ihr zuerst den Rücken wusch und dann mit kräftigen Fingern die Kopfhaut massierte. Das Shampoonieren zog sich in die Länge, und wenn sie an Zauberei geglaubt hätte, dann hätte sie gern drei Wünsche frei gehabt, um sich wünschen zu können, das Gefühl würde ewig so weitergehen. Und niemals dem Morgen ins Auge sehen.
    »Dreh dich um«, sagte sie, rutschte vorwärts und drehte sich selbst um. »Jetzt ich bei dir.«
    Nach dem Haarewaschen, nach dem rituellen Einseifen und Abspülen ihrer Körper küßten sie sich und nahmen einander sogar nackt in dem noch dampfenden Wasser in die Arme, aber sie verspürten beide keinen Sog der Leidenschaft, jedoch nicht nur, weil sie beide wund und erschöpft waren. Es war, als wären sie nicht nur Liebende, sondern auch Freunde, zwei Freunde, die einander schon seit Ewigkeiten kannten. Ich bin müde, dachte Kate. Ich verkläre das alles.
    Nein, sagte ein anderer Teil ihres Verstandes.
    »Wo auch immer die Zeremonie morgen nacht stattfinden wird«, sagte O'Rourke und brach damit den Bann, »heute können wir nicht mehr viel tun. Nachts sind die Bergstraßen gefährlich, und die Polizei hält private Fahrzeuge häufig an. Wir sind besser beraten, wenn wir tagsüber fahren, wenn mehr Verkehr herrscht. Morgen früh werfen wir eine Münze und entscheiden uns, welchen Weg wir nehmen.«
    »Es wird schwer werden, hier rauszukommen«, sagte Kate. Die Kerze war niedergebrannt. Es war sehr kalt.
    »Wir werden uns wieder eine Bresche schlagen ... ach du Scheiße, ist das kalt!« sagte O'Rourke, der sich auf den Kachelsims gezogen hatte und zur Seite drehte. Sein Körper dampfte in der kalten Luft. Er trocknete sich hastig ab.
    Kate stieg aus der Wanne und folgte seinem Beispiel. Es war, als würde man aus einer Sauna in Eiseskälte treten. Sie schlang die dünne Decke um sich. »Sag mir, daß wir hier gemeinsam ein paar Stunden schlafen«, sagte sie mit klappernden Zähnen. »Gemeinsam.«
    »Die Betten sind ausgesprochen für nur eine Person gedacht«, sagte O'Rourke. Er balancierte auf einem Bein, während er die Prothese festschnallte.
    Kate runzelte die Stirn. »Du hast dieses Ding doch nicht beim Schlafen an, oder? Ich meine, abgesehen von Heuschobern.«
    O'Rourke befestigte sie vollends und richtete sich auf. Kate stellte fest, daß die moderne Prothese außerordentlich lebensecht wirkte. »Nein«, sagte er, »aber manche finden es würdelos, zum Bett zu hüpfen.«
    »Einzelbett?« sagte Kate, die zitterte, da ihr Körper abkühlte.
    »Gute Decken«, sagte O'Rourke. Er lächelte zärtlich. »Und ich habe mir die Freiheit

Weitere Kostenlose Bücher