Kinder der Nacht
nicht, was sie sonst sagen sollte. »Was ist das für eine hellgrüne Pflanze da oben? Bei den Wacholderbäumen unter dem Schnee?«
»Ich glaube, sie wird Zimbru genannt«, sagte O'Rourke. Er beugte sich über den Rand des Seitenwagens und sah nach unten. »Sag mal, könntest du die Bremse lösen, die Kupplung ein kleines bißchen kommen lassen und ein Stück vorwärtsfahren ... Richtung Straße?«
Kate gehorchte. Sie mochte das Tuckern des übergroßen Motors und das Gefühl des Motorrads zwischen den Beinen. Sonnenlicht funkelte auf dem polierten Chrom der Lenkstange.
»Danke«, sagte O'Rourke und räusperte sich. Er deutete nach Südwesten. »Der Fluß Argeş und Vlads Schloß liegen in dieser Richtung.«
»Wie weit?«
»Schätzungsweise hundert Klicks Luftlinie. Sechzig, vielleicht siebzig Meilen. Auf der Straße ...« Er biß sich auf die Lippe. »Wahrscheinlich acht Stunden Fahrt.«
Kate sah ihn an. »Wir haben uns nicht geirrt, Mike. Heute nacht findet es in Sighişoara statt.«
Er sah sie an und nickte. »Was würdest du dazu sagen, wenn wir uns einen besseren Parkplatz auf dem Gipfel suchen, das Motorrad von der Straße entfernen und etwas essen?«
Sie hatten Brot und Käse im Kloster gefunden und ausreichend Weinflaschen, ganz Transsilvanien betrunken zu machen. O'Rourke hatte ihr erklärt, daß die Mönche noch Weingärten besaßen und Wein für die hiesige Region abfüllten. Auf diese Weise trugen sie dazu bei, ihre Unkosten zu decken. Kate hatte drei Flaschen unter dem Sitz des Seitenwagens verstaut und fünfzig amerikanische Dollar dafür in einer Schublade in der Küche hinterlassen.
Der Käse war gut, das Brot altbacken, aber vorzüglich, und der Wein schmeckte köstlich. Sie hatten keine Gläser, aber es machte Kate nichts aus, direkt aus der Flasche zu trinken. Sie trank nur ein paar Schlucke, immerhin mußte sie fahren. Das letzte Sonnenlicht wärmte ihr die Haut, bevor die Wolken endgültig die Oberhand gewannen, und riefen ihr sinnliche Erinnerungen an den vergangenen Tag und die Nacht ins Gedächtnis zurück.
»Hast du einen Plan?« fragte O'Rourke, der sich an einen Baumstamm gelehnt hatte und auf einer harten Kruste kaute.
»Hm? Was?« Kate war, als hätte jemand kaltes Wasser auf sie geschüttet.
»Einen Plan«, sagte O'Rourke. »Wenn wir die Strigoi gefunden haben.«
Kate reckte das Kinn vor. »Wir holen uns Joshua zurück«, sagte sie nachdrücklich. »Dann verlassen wir das Land.«
O'Rourke kaute langsam, schluckte und nickte. »Ich will nicht einmal nach Teil zwei fragen«, sagte er, »aber wie wollen wir Teil eins bewerkstelligen? Wenn das Baby wirklich ihr neuer Fürst oder was auch immer ist, dann werden sie es nicht hergeben.«
»Das weiß ich«, sagte Kate. Jetzt verdeckten die Wolken die Sonne. Kalter Wind wehte von den Schneeflächen über ihnen herunter.
»Also ...« O'Rourke breitete die Arme aus.
»Ich glaube, wir können verhandeln«, sagte Kate.
O'Rourke runzelte verhalten die Stirn. »Womit?«
Sie deutete mit dem Kopf zu ihrer Reisetasche. »Ich habe Proben des Hämoglobinsubstituts mitgebracht, das ich Joshua gegeben habe. Es müßte den Strigoi ermöglichen, ihre Sucht nach Menschenblut zu überwinden, den J-Virus aber dennoch in ihrem Immunsystem funktionsfähig erhalten.«
»Ja«, sagte O'Rourke, »aber warum sollten sie sich mit Methadon begnügen, wenn sie den Genuß von Heroin haben können?«
Kate sah über das Tal hinaus, das jetzt im Schatten lag. »Ich weiß nicht. Hast du einen besseren Vorschlag?«
»Es sind die Leute, die Tom und deine Freundin Julie getötet haben«, sagte er mit sehr leiser Stimme.
»Das weiß ich!« Kate hatte nicht gewollt, daß ihre Stimme so schneidend klang.
Er nickte. »Ich weiß, daß du das weißt. Ich wollte wissen, ob du nur gekommen bist, um Joshua zu holen, oder steht auch noch Rache auf deinem Plan?«
Kate wandte ihm wieder das Gesicht zu ... »Ich weiß nicht. Ich glaube nicht. Die medizinische Forschung ... das Durchbruchpotential des Retrovirus ...« Sie blickte nach unten und berührte ihre schmerzende Brust. »Ich will nur Joshua zurückhaben.«
O'Rourke rutschte näher zu ihr und legte einen Arm um sie. »Wir sind eine seltsame Wahl für das dynamische Duo«, flüsterte er.
Sie sah ihn an und verstand eindeutig nicht.
»Maskierte Verbrecherjäger. Superhelden. Batman und Robin?«
»Was meinst du damit?« Die Schmerzen in ihrer Brust ließen etwas nach.
»Du hast gesagt, du hast auf den
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