Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinder der Nacht

Kinder der Nacht

Titel: Kinder der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
genommen, ein zweites Bett ins erste Schlafzimmer zu tragen und es dort neben das andere zu stellen.«
    Kate nahm ihre Reisetasche und einen Stapel frische Kleidungsstücke mit einem Arm und legte den anderen um den Priester. Ex-Priester, dachte sie. Oder bald Ex-Priester. »Ich will ja nicht unromantisch sein«, sagte sie, »aber sehen wir zu, daß wir unter diese guten Decken kommen, bevor uns die Ärsche abfrieren.«
    O'Rourke nahm die erlöschende Kerze, dann machten sie sich auf den Weg zum Schlafzimmer.

Kapitel 32
     
    Der Tag war wie ein Rückfall in den Spätsommer; der blaue Himmel betonte jedes verbliebene Blatt entlang der Autobahn 71 nach Braşov. Kate fand, daß ›Autobahn‹ eine übertriebene Bezeichnung für den schmalen, von Schlaglöchern durchzogenen Asphaltstreifen war, der sich von Tîrgovişte nach Norden und Osten erstreckte, sich seine qualvolle Bahn über die Pässe der Karpaten suchte und dann dramatisch abfiel, bis er sich wieder mit der Autobahn 1 südlich von Braşov vereinte.
    Kate, die sich nach dem Bad der vergangenen Nacht, mehreren Stunden Schlaf und mit der sauberen Kleidung, die O'Rourke gefunden hatte - mindestens einer der Mönche im Kloster von Tîrgovişte war so klein, daß Kate seinen dunklen Pullover über dem letzten sauberen schwarzen Rock tragen konnte und sogar einigermaßen vorzeigbar damit aussah -, war versucht, den Schal abzunehmen, den Kopf zurückzulegen und das Sonnenlicht zu genießen, während sie im Seitenwagen dahinfuhr.
    Es war nicht möglich. Das Gefühl, wie dringend es war, Joshua zu finden, saß zu tief, die Angst, die falsche Entscheidung zu treffen, war zu groß.
    Sie hatten keine Münze geworfen, um die Richtung zu bestimmen. Nachdem sie die Karte bei Tageslicht studiert hatten, hoben sie beide die Köpfe und sagten: »Sighişoara.« Was Kate anbetraf, handelte es sich dabei um reine Intuition. Das Reisen in Transsilvanien macht einen abergläubisch, dachte sie.
    »Wenn wir uns irren, was den Ort der heutigen Zeremonie betrifft, haben wir morgen nacht eine letzte Chance«, sagte O'Rourke.
    »Ja«, sagte Kate, »wenn Lucian die Wahrheit gesagt hat. Unsere Informationen sind wacklig, basieren auf Gerüchten und sind ganz allgemein unausgegoren. Wenn unser Plan eine medizinische Diagnose wäre, würde ich den Arzt wegen Kurpfuscherei verklagen.«
    Heute morgen waren nur wenige Autos zu sehen, dennoch herrschte dichter Verkehr: schwere Lastwagen, die blaue und graue Abgaswolken hinter sich ließen; Traktoren, die aussahen, als stammten sie aus dem Henry-Ford-Museum, Sektion Jahrhundertwende, und deren Eisenräder die schlechten Asphaltstraßen noch mehr verwüsteten; Pferdekarren mit Gummireifen; buntbemalte Ponywagen; vereinzelte Zigeunerwagen; Schafherden, die dumm auf der Straße standen und verloren aussahen, während ihre Hirten mit denselben Mienen hinterhertrotteten; Vieh, das von Kindern getrieben wurde, die nicht älter als acht oder neun Jahre waren und nicht einmal aufsahen, wenn ein Schwerlaster vorbeidonnerte oder das Motorrad sie im Zickzack passierte, um Kühen auszuweichen; Fahrräder, die scheinbar ziellos herumfuhren; vereinzelte deutsche Autos, die mit hundertachtzig Stundenkilometern vorbeipreschten und dabei die arroganten deutschen Hupen ertönen ließen, ohne daß der Fahrer das Motorrad auch nur eines Blickes würdigte; einige Dacias, die dahinkrochen oder schadhaft am Straßenrand standen; Armeefahrzeuge, die offenbar versuchten, sich mit den vorbeisausenden deutschen Autos ein Wettrennen zu liefern, und qualmend mitten auf der Straße tuckerten; und Fußgänger.
    Fußgänger waren zuhauf unterwegs: Zigeuner mit braungebrannter Haut und weiter Kleidung; alte Männer mit weißen Stoppeln auf den Wangen und Filzhüten, die jede Form verloren hatten; scharenweise Schulmädchen in der Nähe zweier kleiner Dörfer und einer Kleinstadt, durch die sie fuhren - Pucioasa, Fieni und Matoeini -, die abgetragenen, aber steif gestärkten blauen Röcke und weißen Blusen der Mädchen strahlend im Sonnenschein; Kinder im Vorschulalter, die Vieh hüteten, Rinder und Jungen mit gleichermaßen gelangweilten Mienen; alte Bäuerinnen, die am Straßenrand entlangstapften - es gab keine Böschung zur Autobahn, lediglich nahezu die ganze Strecke entlang einen fast einen Meter tiefen Graben voll übelriechendem Wasser - ; ältere Bäuerinnen, die wie die Kühe von kleinen Kindern geführt wurden; und ab und zu ofiter de politiţie, die vor den

Weitere Kostenlose Bücher