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Kinder der Nacht

Kinder der Nacht

Titel: Kinder der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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werden, so daß man die hormonale und stimmungsverändernde Wirkung des mutierten Blutabsorptionsorgans verändern, wenn nicht gänzlich übergehen kann.« Sie verstummte atemlos und hatte eine Heidenangst, sie könnte zu wissenschaftlich geworden sein und den alten Mann überfordert haben. »Ich wollte damit sagen«, sagte sie mit klopfendem Herzen, »ich habe etwas von diesem experimentellen Blutersatz mitgebracht. Ihre Männer haben mir meine Handtasche weggenommen, aber ich habe medizinische Ausrüstung darin ... mehrere Phiolen des künstlichen Hämoglobins, das ich an Joshua erprobt habe.«
    Jetzt blinzelte er langsam, und als er sie wieder ansah, waren seine Augen müde. »Somatogen.«
    Jetzt war es Kate, die blinzelte. »Was?«
    »Somatogen«, sagte der alte Mann und bewegte sich etwas, um eine bequemere Haltung zu finden. »Das ist eine biotechnische Firma in Ihrer Heimatstadt Boulder, Colorado. Sie müßten sie kennen.«
    »Ja.« Kates Stimme klang kläglich.
    »Oh, es ist keines meiner Unternehmen. Ich besitze nicht einmal die Aktienmehrheit. Aber ich ... wir ... die fortschrittlicheren Mitglieder der Familie ...haben die Forschungen mit künstlichem Hämoglobin dort überwacht. Sie wissen wahrscheinlich von der DNX Corporation und von Alliance Pharmaceutical. Die haben den Durchbruch schon verkündet, wenn möglicherweise auch ein wenig vorschnell - aber Somatogen werden ihre Bekanntgabe während der zehnten jährlichen Hambrecht and Quist Lifesciences Conference in San Francisco im Januar des neuen Jahres machen.«
    Kate sah den alten Mann an.
    Er zog eine Braue hoch. »Glauben Sie, die Familie würde sich nicht für solche Forschungen interessieren? Glauben Sie, wir leben alle in Osteuropa und sorgen dafür, daß die Waisenhäuser voll sind, um unsere Bedürfnisse befriedigen?« Ein rasselnder, keuchender Laut war zu hören, bei dem es sich um ein Lachen oder ein Husten handeln konnte. »Nein, Doktor Neuman, ich kenne Ihr Wunderheilmittel. Ich habe die Prototypen ausprobiert und sie funktionieren ... gewissermaßen. Am meisten bin ich mir aber des kommerziellen Wertes bewußt.« Er lächelte. »Haben Sie gewußt, Doktor Neuman, daß der Umsatz für sichere Transfusionen allein in den Vereinigten Staaten bei zwei Milliarden Dollar jährlich liegen würde ... und das jetzt, da die AIDS-Seuche noch im Frühstadium ist?« Er hustete oder lachte wieder. »Nein, Doktor Neuman, nicht die Sucht nach Blut ist so schwer zu überwinden ...«
    Kate lehnte sich auf dem harten Stuhl zurück. Sie fühlte sich ausgelaugt, niedergeschlagen. »Was dann?«
    Der alte Mann hob einen Finger mit langem, gelbem Nagel. »Die Sucht nach Macht, Doktor Neuman. Die Sucht nach Vergünstigungen. Die Sucht danach, Gewalt ohne Konsequenzen zu kosten. Haben Sie dafür auch ein Heilmittel in Ihrer Reisetasche?«
    Kate starrte ihn an, sah ihn aber nicht mehr. Es folgte ein längeres Schweigen, das sie nur am Rande mitbekam. Wenn ich jetzt aufstehe und weglaufe, schaffe ich es vielleicht bis zur Zimmertür. Wenn ich es bis draußen schaffe ... vielleicht warten die anderen nicht auf dem Treppenabsatz. Wenn ich aus dem Haus hinaus komme ... In diesem Augenblick sah sie ganz Rumänien als eine Verlängerung der schwarzen Grube, in der sie die letzten sechs oder sieben Stunden verbracht hatte. Eine Grube mit Wänden, die zu steil zum Klettern waren; eine Grube mit Polizei und Militär und Zollbeamten und einer Luftwaffe, die allesamt den Befehl befolgten, sie zu finden und zu töten. Und außerhalb von Rumänien sah sie die Macht der Strigoi als langen schwarzen Arm, ohne Knochen, wie ein Tentakel, aber mit unendlicher Reichweite, und die Hand an diesem Arm war mit Rasierklingen statt mit Fingernägeln versehen. Wenn ich wie durch ein Wunder mit Joshua entkommen könnte, wie lange würde es dauern, bis ich eines Nachts aufwachen und einen Fremden in Schwarz in meinem Zimmer finden würde ... oder im Zimmer meines Kindes? Wie viele würde sie hinter mir herschicken? Sie würden nie aufgeben. Niemals.
    »Was ...« Kate verstummte und räusperte sich. »Was wird aus Pater O'Rourke und mir?«
    Der alte Mann schlug die Augen nicht mehr auf. Seine Stimme klang vage und verträumt. »Sie werden morgen nacht zu einer heiligen Stätte gebracht werden, Sie und der Priester. Die Familie wird dort sein. Der junge Vlad wird dort sein. Zum richtigen Zeitpunkt werden Sie und der Priester auf zwei goldenen Pflöcken gepfählt werden. Dann wird der Onkel des

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